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Lokalpolitiker berichtet über eigenen Wahlkampf Glaubwürdigkeit der Zeitung dadurch in Gefahr

Geschrieben am 05-06-2008

Bonn (ots) - Mehrfach hat der Deutsche Presserat in seinen
Sitzungen gestern und vorgestern (3. und 4. Juni) in Bonn zu seiner
schärfsten Sanktion gegriffen: Er sprach u.a. wegen Verletzungen des
Trennungsgebots und der Nichtbeachtung von Persönlichkeitsrechten
Rügen aus.

Lokalpolitik
Eine öffentliche Rüge erhielt DER NEUE TAG. Die Zeitung hatte einen
Lokalpolitiker, der auch als freier Mitarbeiter der Zeitung tätig
ist, über seine eigene Nominierung als Bürgermeisterkandidat und
andere Wahlkampftermine berichten lassen. Der Presserat wertete dies
als schwere Verletzung der Ziffer 6 des Kodex, die vorschreibt, dass
Journalisten ihre Tätigkeit streng von anderen Funktionen trennen
müssen. Aus Sicht des Ausschusses ist es presseethisch nicht
vertretbar, wenn ein Kandidat über seine eigenen
Wahlkampfveranstaltungen berichtet. Durch eine solche Praxis gerät
die Glaubwürdigkeit der Presse in Gefahr.

Ziffer 6 - Trennung von Tätigkeiten
Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die
Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten.

Trennungsgebot
Wegen Schleichwerbung gerügt wurde die Hochschulzeitschrift AUD!MAX
aufgrund eines Unternehmensporträts. Die Redaktion präsentiert darin
aus Sicht des Personalchefs dieses Unternehmens jungen
Hochschulabsolventen die Firma. Dabei wird die Grenze zur
Schleichwerbung überschritten. Richtlinie 7.2 fordert:

Richtlinie 7.2 - Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre
Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht
die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung
liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein
begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der
Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte
Vorteile belohnt wird.

Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet
besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.

Eine öffentliche Rüge erhielt die Fachzeitschrift ERGOTHERAPIE &
REHABILITATION. Sie hatte ein erfundenes Interview mit einer fiktiven
Interviewpartnerin veröffentlicht. Dies ist ein schwerer Verstoß
gegen Ziffer 1 des Pressekodex. In dem Interview ging es
ausschließlich um einen großen Ergotherapie-Kongress in Hamburg. Der
Ausschuss wertete die Berichterstattung außerdem als Schleichwerbung
nach Richtlinie 7.2. Im Wechselspiel zwischen Redaktion und
erfundener Interviewpartnerin wurde der Kongress über ein begründetes
öffentliches Interesse hinaus positiv dargestellt. Hinzu kommt, dass
der Verlag der Zeitschrift den Kongress mit ausrichtet und daher ein
Interesse an einer positiven Berichterstattung hat.

Ziffer 1 - Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die
wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der
Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage
das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Persönlichkeitsrechte
BILD (Bremen) erhielt eine nicht-öffentliche Rüge wegen eines
Verstoßes gegen die Ziffern 8, 2 und 1 des Pressekodex. Die Zeitung
hatte berichtet, dass zwei Mädchen im Alter von eins und vier Jahren
auf Veranlassung ihrer Mutter zur Beschneidung nach Afrika gebracht
werden sollten, was aber durch den Vater und einen Polizeieinsatz
habe verhindert werden können. Ausschlaggebend für die Rüge war ein
beigestelltes Foto, das beide Kinder ungeblendet zeigte. Hierfür gab
es nicht die Einwilligung beider Eltern. Die Veröffentlichung dieses
Fotos verletzt die Persönlichkeitsrechte der Kinder nach Ziffer 8 des
Pressekodex. Einen Verstoß gegen das Wahrheitsgebot aus Ziffer 1 des
Pressekodex sah der Ausschuss zudem im Einstieg des Beitrages, wonach
in einer dunklen Hütte in Afrika bereits ein Medizinmann auf die
Mädchen gewartet habe. Dies war offenbar frei erfunden. Die Zeitung
verletzte außerdem die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des
Pressekodex. Als Quellen für den Bericht wurden neben der
Polizeimeldung und den Aussagen des Vaters nicht auch die Aussagen
der Mutter berücksichtigt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass
die Mutter Beschneidungen ablehnt und ihre Kinder nicht zu diesem
Zweck nach Afrika bringen wollte. Der Ausschuss hält es zwar für
zulässig, dass die tagesaktuelle Berichterstattung im Wesentlichen
auf der Polizeimeldung beruhte. Dies hätte jedoch für den Leser
deutlich erkennbar sein müssen. Aus Opferschutzgründen verzichtete
der Ausschuss darauf, die Zeitung zum Abdruck der Rüge zu
verpflichten.

Ziffer 8 - Persönlichkeitsrechte
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen.
Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann
es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen,
ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter
verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Öffentlich gerügt wurde der NORDKURIER (Neubrandenburger Zeitung).
Er hatte vorverurteilend über einen bevorstehenden Prozess gegen
einen Steuerberater berichtet. In dem Artikel wurde nicht ausreichend
deutlich, dass die schweren Vorwürfe gegen den Mann zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung nicht gerichtlich erwiesen waren. Beispielsweise
bezeichnete die Zeitung den Beschuldigten schon vor dem Verfahren als
"clever und kriminell". Der Presserat hielt das für eine Verletzung
der Ziffer 13, in der das Verbot der Vorverurteilung geregelt ist.
Außerdem sah er die Ziffer 8 - Schutz der Privatsphäre - verletzt,
weil der Angeklagte zwar nicht namentlich genannt wurde, aber
aufgrund des Gesamtzusammenhangs für einen weiteren Personenkreis
erkennbar war. Weil der Betroffene bei den schweren Vorwürfen, die
gegen ihn erhoben wurden, mit weitreichenden Konsequenzen für seine
berufliche Zukunft rechnen muss, hätte die Zeitung die
Unschuldsvermutung besonders ernst nehmen müssen.
Ziffer 13 - Unschuldsvermutung
Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und
sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der
Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.

Statistik
Insgesamt wurden in den zwei Beschwerdeausschüssen 74 Beschwerden
behandelt. Dabei wurden neben den Rügen 15 Missbilligungen und 13
Hinweise ausgesprochen. In 29 Fällen wurden die Beschwerden als
unbegründet erachtet. Ein Fall war begründet, auf eine Maßnahme wurde
jedoch verzichtet. In einigen Fällen gab es mehrere Beschwerdeführer
gegen gleiche Veröffentlichungen.

Originaltext: Deutscher Presserat
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/14918
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_14918.rss2

Pressekontakt:
Deutscher Presserat
Arno H. Weyand
Tel.: 0228 - 985720
Fax: 0228 - 98572 - 99
E-Mail: info@presserat.de


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