Julie Christie: "Ein Star zu sein, schmeckt mir nicht."
Geschrieben am 18-06-2008 |
München (ots) -
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So., 22. Juni, 23.05 Uhr, werbefrei auf Tele 5: 'Hamlet' mit Julie Christie
Fr., 27. Juni, Filmfest München: CineMerit Award an Julie Christie
Oscar-Verleihung 1965: Eine junge, blonde Britin ist als beste Schauspielerin des Jahres nominiert. Die Konkurrenz ist stark und erfahren. Dennoch schafft sie es, die namhaften Rivalinnen aus dem Rennen zu schlagen. Name: Julie Christie. Film: ,Darling'.
Oscar-Verleihung 2008: Eine nicht mehr ganz so junge Britin ist als beste Schauspielerin des Jahres nominiert. Die Konkurrenz ist zwar stark, aber eher unerfahren. Dennoch muss sie sich einer dieser Rivalinnen geschlagen geben. Name: Julie Christie. Film: ,An ihrer Seite'.
Ein ganzes Berufsleben liegt zwischen diesen beiden Ereignissen, in denen Julie Christie auf eine abwechslungsreiche Karriere und auf ein ebenso abwechslungsreiches Leben zwischen Kunst und Kommerz, Jet-Set-Leben und Abgeschiedenheit zurückblickt.
Für Julie Christie, die 1941 in Indien geborene Tochter eines englischen Teeplantagenbesitzers, kommt der Erfolg mit John Schlesingers ,Geliebter Spinner', einer ihrer ersten Kinorollen, über Nacht. Die damals 22-Jährige hat gerade ein Schauspiel- und Kunststudium in London und Paris hinter sich und führt ein Vagabundenleben, das sie selbst folgendermaßen beschreibt: "Ich zog mit meiner Matratze von Freund zu Freund".
John Schlesinger ist es schließlich auch, der ihr die Rolle des karrieregeilen Models Diana Scott in ,Darling' (1965) auf den hübschen Leib schneidert. Der Film verleiht dem Lebensgefühl der Swinging Sixties wie kein anderer Ausdruck und macht Christie zur Leitfigur dieser Dekade. Als eine Art Vorgänger-Modell zum "Girlie" klettert sie schnellen Schrittes die Karriere-Leiter hoch. Im selben Jahr erobert sie zudem auch als Lara, die Geliebte von ,Doktor Schiwago', die Kino-Leinwände auf der ganzen Welt.
Gewichtsverlust und Zusammenbruch als Resultate des Erfolgsdrucks
Es folgen gute Filme, aber auch weniger gute. Der plötzliche Ruhm setzt der scheuen Christie sehr zu. Interviews und Bekenntnisse aus dem Privatleben gibt sie nur widerwillig und betrachtet diese als notwendiges Übel. Erschöpfung, Gewichtsverlust und Zusammenbruch sind die Resultate des Erfolgsdrucks. Beim Dreh schläft sie zwischen den Takes oft ein, zumal sie ihren eigenen Haushalt selbst schmeißt und auf Hilfe verzichtet. Regisseur John Schlesinger engagiert eigens eine Putzfrau für sie, damit sie wenigstens etwas Entspannung hat.
Das Interesse an ihrem Privatleben nimmt drastisch zu, als sie Warren Beatty kennenlernt. Die Beziehung zum Hollywood-Beau, der Brad Pitt der 60er und 70er Jahre, ist das Gesprächsthema der Klatschpresse und währt sieben stürmische Jahre. Zwischen Partyleben und Yellow Press setzt sich Christie auch für wohltätige Zwecke ein und sucht ihre Filmrollen abseits des Mainstream. Sie lehnt hitverdächtige Angebote wie ,Rosemary's Baby' (1968) bewusst ab, was gewissermaßen einem beruflichen Selbstmord gleichkommt. Nichtsdestotrotz glänzt sie in künstlerisch anspruchsvollen Filmen: Für Robert Altmans ,McCabe & Mrs. Miller' (1971) an der Seite von Warren Beatty erntet sie wahre Lobeshymnen und eine weitere Oscar-Nominierung. Auch wenn sich der Film nicht als kinokassenträchtig erweist, gilt ihre Darstellung einer opiumsüchtigen Prostituierten als die beste Leistung ihrer Karriere.
Ende der 70er Jahre wird es ruhig um "Darling" Julie. Es ist aber eine selbstauferlegte Ruhe. Die Produzenten reißen sich immer noch um sie. Man bietet ihr bis zu einer Million Dollar pro Film an, die die schöne Schauspielerin dankend ablehnt. Stattdessen kehrt sie Hollywood den Rücken und begibt sich in Richtung Heimat Großbritannien. Dort macht sich Christie stark für die Rechte von Minderheiten, setzt sich für Tier- und Umweltschutz ein. Fast schon einsiedlerisch lebt sie auf einem alten Bauernhof, tauscht Glamour gegen soziales Engagement. Die Exzentrikerin frönt ihrem Einsatz auch im Privatleben - fast schon auf radikale Weise: Sie benutzt beispielsweise kein Klopapier. Ihren Gästen, die mal das stille Örtchen aufsuchen müssen, drückt sie einfach Zeitungspapier in die Hand. "Ein Star zu sein, schmeckt mir nicht, es ist nichts, was ich je angestrebt habe". Diese Ansicht vertritt "Jules", wie sie von Freunden genannt wird, vehement: Wo andere Schauspieler ihre Filmpreise stolz und für alle sichtbar auf Kaminsimsen oder gleich im Hauseingang platzieren, packt sie ihren Oscar, den wichtigsten Filmpreis der Welt, auf den Dachboden. Auch schauspielerisch tritt sie kürzer. Abgesehen von sporadischen Auftritten, wie in der deutschen TV-Produktion ,Väter und Söhne' (1986), ist Julie Christie vor der Kamera quasi nicht mehr präsent.
1996 gelingt Kenneth Branagh schließlich das, woran sich andere Filmemacher die Zähne ausgebissen haben, nämlich Julie Christie zu einem Comeback zu bewegen. Der Shakespeare-Experte holt sie zu einer großangelegten Verfilmung von ,Hamlet', die Tele 5 am 22. Juni, um 23.05 Uhr ohne Werbeunterbrechung zeigt, aus ihrer Isolation zurück. Als leidgeplagte Gertrude gibt sie der Rachegeschichte um den Prinzen von Dänemark die richtige königliche Würze. Und die Freude am Spiel ist wiederentdeckt: Große Rollen in kleinen Projekten (,Liebesflüstern', 1997) und kleine Rollen in Großproduktionen (,Troja', 2004) wechseln sich ab. Eines der weniger teuren Projekte ist auch ,An ihrer Seite', ein Kleinod über eine an Alzheimer erkrankte Frau. Julie Christie gibt eine Paradevorstellung ab, die Filmindustrie dankt ihr mit zahlreichen Preisen u.a. einer vierten Oscar-Nominierung. Auch wenn sie die Statuette letztendlich nicht gewinnt, ist sie wieder in aller Munde.
Privat sind die ungestümen Zeiten auch vorbei. Einst war sie der Meinung: "Ich glaube nicht, dass Männer mich sexy finden. Es reizt sie allerdings, dass ich so tue, als würde ich sie über kurz oder lang verlassen." Aber der Journalist Duncan Campbell scheint sie eines Besseren belehrt zu haben. Nach 28 Jahren wilder Ehe heiratete sie ihn im November letzten Jahres in ihrem Geburtsland Indien.
Schönheit ist vergänglich? Mitnichten! Julie Christie, 66, laut Al Pacino "die poetischste aller Schauspielerinnen" und das Gesicht einer ganzen Generation, hat gezeigt, dass sie weder von ihrer Schönheit noch von ihrem Talent etwas eingebüßt hat.
Text: Baris Aslan
Textrechte: ©Presse Tele 5, Verwertung honorarfrei nur bei Programmhinweis auf Tele 5.
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