Roland Berger Studie: Globale Pharmabranche am Scheideweg
Geschrieben am 07-07-2008 |
München (ots) -
- Untersuchung von weltweit führenden Pharmakonzernen und Umfrage unter Top-Entscheidern
- 21 Prozent der Befragten messen Gesundheitsdienstleistungen das größte Wachstumspotenzial bei, noch vor neuen Formen der Kooperation (20 Prozent)
- Bedeutung der BRIC-Staaten nimmt zu, während der Hauptmarkt USA zunehmend als risikobehaftet eingeschätzt wird
- Top-Manager sehen die größten Risiken in den USA bei der Zulassung (34 Prozent), in der EU bei langfristigen Erstattungsprozessen und Preisfindung (je 28 Prozent) und in Japan bei der Zulassung (28 Prozent)
- Produktportfolios der großen Pharmaunternehmen stark risikobehaftet - zukünftige Innovation wird zunehmend extern gesucht
- Kostensenkungen betreffen vor allem die Bereiche Marketing und Vertrieb (69 Prozent) und Pharmaproduktion (59 Prozent)
- Die Pharmaindustrie hat kein klares Zukunftsbild und beginnt, das voll integrierte Geschäftsmodell zu hinterfragen
Die Herausforderungen für Pharmaunternehmen nehmen weiter zu. Neue Genehmigungsverfahren und die Umstrukturierung der Gesundheitssysteme verändern die Branche und verschärfen den Preiswettbewerb. Viele Unternehmen müssen ihr Geschäftsmodell grundsätzlich überarbeiten. Die Roland Berger Studie "Pharma at the crossroads - Choosing directions in a transforming healthcare world" analysiert Trends und Schlüsselthemen für internationale Pharmafirmen, die vor allem patentierte, verschreibungspflichtige Medikamente herstellen. Die teilnehmenden Unternehmen repräsentieren mehr als 50 Prozent des globalen Pharmaumsatzes sowie 20 der 30 weltgrößten Pharmakonzerne.
Die Studie "Pharma at the crossroads" beruht auf Fragebögen, 50 Einzel-Interviews mit Top-Entscheidern führender globaler Pharma-Konzerne sowie Datenrecherche. Die Mehrzahl der teilnehmenden Unternehmen erkennt, dass das traditionelle Geschäftsmodell von Pharma stark unter Druck gerät. Strategische Chancen sehen die Befragten insbesondere in zwei Bereichen: erstens in der Weiterentwicklung von Pharmaunternehmen hin zu integrierten Gesundheitsdienstleistern, über die Produkte hinaus; zweitens in der verstärkten Kooperation mit externen Unternehmen zur weiteren Steigerung von Innovation und Effizienz. Ein wesentlicher Treiber des Wandels sind die sich verändernden Gesundheitssysteme in verschiedenen Regionen der Welt.
Regionale Unterschiede
Die USA werden mit einem jährlichen Umsatz von 315 Milliarden US-Dollar zwar Hauptabsatzmarkt für die Pharma-Unternehmen bleiben. Dieser birgt aber im weltweiten Vergleich auch die höchsten Risiken, durch erwartete Kostensenkungsmaßnahmen im amerikanischen Gesundheitssystem. Knapp die Hälfte der Befragten meint, dass ihre Gewinne auf dem US-Markt mittel- bis langfristig sinken werden: So bereitet insbesondere die Zulassung von Medikamenten einem guten Drittel der Befragten die größten Schwierigkeiten. In der EU verursachen langfristige Erstattungsprozedere und Preisfindung je 28 Prozent der Firmen Kopfzerbrechen. In Japan und den BRIC-Staaten sehen je rund ein Viertel der Befragten die Preisfindung als problematisch. Großbritannien wird nicht zuletzt aufgrund des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) als Vorreiter im Bereich Marktzugang und Erstattung gesehen. Hier lernt die Pharmaindustrie in vielen Fällen die Zukunft des Marktzugangs und der Erstattung.
Chancen für weiteres Wachstum und Profitabilität
Die wesentlichen Hebel für weiteres Wachstum und Profitabilität sieht die Industrie im Wachstumspotential der BRIC-Staaten, der Weiterentwicklung des überholten Marketing- und Vertriebsmodells sowie weiterer Steigerung der Innovationstätigkeit durch Forschung und Entwicklung.
BRIC Staaten als Wachstumsmärkte der Zukunft
22 Prozent der Befragten halten die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China für den zentralen künftigen Wachstumsmotor für die Pharmaindustrie. Fast alle Unternehmen haben Projekte und Strukturen aufgesetzt, um die dort entstehenden Gesundheitsmärkte mitzugestalten und sich rechtzeitig eine entsprechende Marktposition zu sichern. "Diese Märkte bieten der Industrie zudem die Chance, ein gesundheitspolitisches Umfeld kennenzulernen, das sich oft mehr am Konsumenten orientiert. Diese Erfahrungen werden auch in den traditionellen Märkten immer wichtiger", sagt Stephan Danner, leitender Partner für den Bereich Pharma bei Roland Berger Strategy Consultants.
Marketing- und Vertriebs Geschäftsmodelle unter Druck
Viele Pharmaunternehmen haben angesichts der neuen Herausforderungen damit begonnen, ihr Marketing- und Vertriebs- Geschäftsmodell zu überarbeiten. Die sich ändernden Kunden- und Entscheiderstrukturen sowie zunehmender Kostendruck zwingen die Industrie, das traditionell an den Ärzten orientierte Modell aufzugeben. Für vielversprechender halten die Befragten besonders die stärkere Ausrichtung an den Erstattern und die Fokussierung auf Innovation und klinische Differenzierung der Produkte. Flexibilisierung und Outsourcing gelten darüber hinaus als effektivste Maßnahmen, um die Profitabilität in diesem Bereich weiter zu steigern. Zusammenfassend glauben 45 Prozent der Befragten, dass sich ihr Marketing- und Vertriebsmodell in den nächsten ein bis zwei Jahren erneut grundlegend ändern wird.
Innovation wird extern gesucht
Ablaufende Patente und fehlende Neuentwicklungen bedrohen das Produktportfolio vieler Pharmahersteller. Diese Entwicklung betrifft auch und gerade die Riesen der Branche. Für sie stellt besonders die große Abhängigkeit von einzelnen Blockbustern, die zunehmend von Patentablauf bedroht sind, eine Gefahr dar. Bei der Frage der effektivsten Möglichkeit, künftige Innovationen und damit eine rechtzeitige Erneuerung des Portfolios sicherzustellen, zeigt sich ein klarer Trend: 41 Prozent der Befragten bevorzugen den externen Einkauf von Innovation (im Sinne von Einlizensierung oder Partnerschaften), 39 Prozent setzen auf Akquisition ganzer Firmen, insbesondere im Biotech-Bereich. Nur 20 Prozent halten die in-house R&D für die effizienteste Quelle künftiger Innovationen.
Kostenreduktion als Top Thema
Bereits in den vergangenen zwei Jahren haben Pharmaunternehmen die Kosten reduziert, vor allem im Vertrieb (69 Prozent), in der Pharmaproduktion (59 Prozent), in Distribution und Logistik (59 Prozent), im Marketing (57 Prozent) und in der chemischen Produktion (41 Prozent). Das größte Potential für weitere Einsparungen sehen die meisten im Bereich Marketing & Vertrieb. Ca. 25 Prozent der Befragten schätzen dieses sogar auf deutlich mehr 10 Prozent. "Viele Manager sind nach wie vor der Ansicht, dass sie durch isolierte Kostenreduzierung schnell und effektiv Erfolge erzielen werden. Das verschafft den Unternehmen zwar eine kurze Verschnaufpause, langfristig aber müssen sie die gesamte Wertschöpfungskette unter die Lupe nehmen", sagt Aleksandar Ruzicic, Co-Autor und Principal bei Roland Berger.
Mehr und mehr Unternehmen erkennen, dass sie Struktur und Aufbau ihrer gesamten Wertschöpfungskette grundlegend überdenken müssen. Ausgangspunkt dafür sind die eigenen Kernkompetenzen: Nach Ansicht der Top-Entscheider werden dies Marketing & Sales sowie Forschung & Entwicklung bleiben. Zudem sind verstärkte Outsourcing-Strategien entlang der gesamten Wertschöpfungskette erkennbar - sie deuten auf die künftige Entwicklung einer Branche hin, die im Vergleich zu anderen Industrien nach wie vor einen ungewöhnlich hohen Integrationsgrad hat.
Ausblick
Der Pharmabranche stehen auch in den kommenden Jahren große Veränderungen bevor. Neben dem Hauptmarkt USA werden die aufstrebenden BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China signifikant an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig nimmt der Preis- und Innovationsdruck weiter zu. Um sich im hart umkämpften Markt zu behaupten, müssen sich die Top-Entscheider erneut mit folgenden Fragen entlang der gesamten pharmazeutischen Wertzschöfungskette auseinander setzen: Was sind unsere Kernkompetenzen, die Innovation und Wachstum sicherstellen? Wo ist Outsourcing sinnvoll? Wie lukrativ ist ein Service für Drittkunden? In der Vergangenheit hat das Top-Management auf diese Fragen meist mit einem voll integrierten Geschäftsmodell geantwortet. Jetzt hat ein erstes Umdenken begonnen. "Der pharmazeutischen Industrie fehlt ein klares Zukunftsbild. Die Antworten auf diese grundsätzlichen Fragen werden über den Erfolg der Pharmaunternehmen und die künftigen Gewinner und Verlierer entscheiden", sagt Pharma-Experte Danner.
Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist die weltweit führende Strategieberatung europäischen Ursprungs. Mit 35 Büros in 24 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Rund 2.000 Mitarbeiter haben 2007 einen Honorarumsatz von mehr als 600 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 160 Partnern.
Weitere Informationen zur Studie finden Sie unter: www.rolandberger.com/pressreleases
Originaltext: Roland Berger Strategy Consultants Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/32053 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_32053.rss2
Falls Sie Rückfragen haben, wenden Sie sich bitte an: Sebastian Deck Roland Berger Strategy Consultants Tel.: +49 (0) 89/9230-8190 Fax: +49 (0) 89/9230-8599 E-Mail: press@de.rolandberger.com
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