Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 8. Juli 2008 den blutigen Anschlag auf die indische Botschaft in Kabul:
Geschrieben am 07-07-2008 |
Bremen (ots) - Was ist mit Pakistan? von Joerg Helge Wagner Sie haben es wieder einmal geschafft: Mitten in Afghanistans Hauptstadt Kabul haben Terroristen ein Blutbad angerichtet, das bislang schlimmste seit dem Sturz des Taliban-Regimes vor bald sieben Jahren. Die meisten Opfer waren - wieder einmal - Zivilisten, und sie starben ausgerechnet dort, wo es vergleichsweise am sichersten sein sollte: im Regierungs- und Botschaftsviertel Die Taliban sind gestürzt, aber eben nicht vertrieben. Ihre eigenen enormen Verluste zählen nicht, weil ihnen selbst ihr Leben nichts zählt und es ihnen trotzdem an Rekruten nicht mangelt. Was zählt, sind die Demütigungen von Regierung wie Alliierten durch Anschläge, wie zuletzt im April auf Präsident Karsai während einer Truppenparade - ebenfalls in Kabul. Schon damals wurde von afghanischen Offiziellen der Verdacht geäußert, dass der pakistanische Geheimdienst ISI der eigentliche Drahtzieher sei, der die Taliban bloß als willfährige Bauernopfer einsetze - jene Taliban, die er einst im pakistanischen Exil aufgerüstet hat, damit sie von dort aus die sowjetischen Besatzer Afghanistans bekämpfen. Aber wohl nicht nur dazu: Die fanatischen Muslime mit ihrem ganzheitlichen Verständnis von "heiligem Krieg" sollten auch den "von Ungläubigen besetzten" indischen Teil Kaschmirs infiltrieren. Offenbar sind die frömmelnden Terroristen jetzt aber der Kontrolle Islamabads entglitten. Während sich der Konflikt zwischen Indien und Pakistan endlich langsam entschärft, greifen sie gezielt die Botschaft Indiens an, das nicht einmal zu den Truppenstellern in Afghanistan gehört. Oder tobt innerhalb des schwer durchschaubaren pakistanischen Sicherheitsapparats ein Machtkampf um die Deutungshoheit in der Außenpolitik? Haben gestern die Falken zugeschlagen, die einen Ausgleich mit Indien ablehnen? Die nur eine völlige "Befreiung" Kaschmirs akzeptieren und dabei ungerührt über ein paar Dutzend afghanischer und indischer Leichen gehen? Alles ist möglich, was man schon daran sieht, dass die pakistanische Armee die Taliban diesseits der Grenzen gerade mit einer Großoffensive bekämpft, weil Islamabad das unkontrollierte Eigenleben der Paschtunen in den Western Territories zu bunt geworden ist. Das aber bedeutet, dass aus dem ursprünglichen Krieg gegen den Terror ein regionaler Krieg mit mehreren Fronten geworden ist. Was heißt das nun für die Alliierten, für die Bundeswehr? Möglichst schnell raus aus dem Hexenkessel, bevor es in Tadschikistan auch noch losgeht? Nein. Gerade weil nahezu alle Nachbarn Afghanistans mit Ausnahme Chinas labile Regimes sind, darf man die Region nicht durch Rückzug aufgeben. Was dann käme, wäre schlimmer als alles, was vor 2001 war.
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