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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Kaukasus

Geschrieben am 10-08-2008

Bielefeld (ots) - Es kann kein Zufall sein, dass der seit langem
schwelende Streit zwischen Russland und Georgien ausgerechnet in dem
Moment zum Krieg auswächst, als in China olympischer Frieden
ausgerufen wird. Am deutlichsten bekam dies Nicolas Sarkozy in seiner
Eigenschaft als EU-Ratsvorsitzender zu spüren. Auf der Ehrentribüne
bei der olympischen Eröffnungsfeier in Peking sitzend erreichte ihn
die Nachricht vom tausendfachen Tod im Kaukasus.
Nicht auszuschließen, dass sich Russland in den kommenden Wochen ganz
Georgien einverleibt. Zwei von bald zehn Schwelbränden wären
ausgetreten, der Zugriff auf die Pipelines zum Kaspischen Meer wie zu
Sowjetzeiten wieder unter Moskauer Kontrolle. Nebenbei hätte man dem
Westen endgültig klargemacht, dass Nato-Beitrittsbegehren rund ums
Riesenreich nicht zugelassen werden.
Lange bevor der Georgier Josef Stalin die russische Geschichte mit
Blut umschrieb, hatte es schon eine ganze Reihe von Konflikten
zwischen Kaukasiern, Osseten, Christen, Muslimen, Rot- und Weißrussen
gegeben. Müßig ist es zu fragen, wer je den ersten Stein warf.
Tatsache ist, dass sich Georgien in jüngster Zeit gerne provozieren
ließ, den Zugriff auf den abtrünnigen Landesteil wagte und sich jetzt
mehr als ein blutige Nase holt.
Russland ging gestern trotz der einseitig verkündeten Waffenruhe
weiter vor, schickte seine Kampfbomber erstmals sogar bis über die
georgische Hauptstadt Tiflis. Moskau unternimmt in diesem von
Wladimir Putin »Krieg« genannten Konflikt deutlich mehr als zur
Wiederherstellung des Status Quo nötig wäre. Der versuchte Einmarsch
der Georgier nach Südossetien wird nicht nur zurückgeschlagen, jetzt
setzen die Russen ihren Gegnern offenbar auch noch heftig nach.
Eine Lösung von außen scheint nur schwer erreichbar. Selbst wenn
Friedensgespräche sofort begännen, die Zeit arbeitet für Russland.
Der übermächtige Nachbar schafft derzeit Fakten. Gegen die riesige
Kriegsmaschinerie aus dem Norden hat Georgien keine Chance. Auch
Abchasien verhängte gestern Kriegsrecht.
Wenn überhaupt jemand geringe Erfolgsaussichten als Vermittler hat,
dann gehört die deutsche Bundeskanzlerin zu diesem Kreis. Am
kommenden Freitag spricht sie mit dem russischen Präsidenten in
Sotschi, noch im Frühjahr vertagte sie gegen den Willen der USA
Georgiens Wunsch nach einer Nato-Mitgliedschaft.
Ihre distanzierte Haltung gegenüber beiden Seiten macht Merkel
akzeptabel. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili glaubt, das
melden kundige Beobachter, dass Moskau eher auf Berlin als auf
Washington hört.
Die Georgier wiederum schätzen an ihr, dass die Deutsche offen
anspricht, was andere eher diplomatisch verklausulieren. Ihr Umgang
mit Putin hat in der Vergangenheit viele Staatsführer beeindruckt.
Dennoch bleibt zweifelhaft, ob sie den kaukasischen Knoten zu
entwirren weiß. Bloßes Durchschlagen - auf die russische Art - ist
keine Lösung.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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