WAZ: Arbeitslose in die Altenheime? Der falsche Ort für ein Jobprogramm - Leitartikel von Stefan Schulte
Geschrieben am 18-08-2008 |
Essen (ots) - Die Regierung will Demenzkranken helfen. Richtig so. Die Regierung will Arbeitslose in Arbeit bringen. Gut. Daraus den Plan zu schmieden, Demenzkranke von Arbeitslosen betreuen zu lassen, ist aber nur aus ganz kurzer Sicht naheliegend. Denn mit einer Logik dieser Kühnheit lassen sich Probleme am Schreibtisch leicht lösen. Nur ist das wirkliche Leben leider komplizierter und entzieht sich mit besonderer Vorliebe logischen Vorgaben kühner Politstrategen.
Zum Beispiel lassen im wirklichen Leben Unternehmen, sogar karitative, schon mal Fünfe gerade sein, wenn es dem Etat hilft. Sehr hilfreich und sehr gerade sind etwa Ein-Euro-Jobber, die in Pflegeheimen eingesetzt werden. Natürlich zusätzlich zum Stammpersonal, steht ja im Gesetz. Ebenso natürlich strichen Heime Stellen und versicherten, dies habe mit der neuen Kolonne von Ein-Euro-Jobbern nichts zu tun.
Anstatt zwei Probleme im Vorbeigehen lösen zu wollen, sollte die Regierung sich eines von Nahem ansehen. Altersverwirrte Menschen sind in Heimen am schlechtesten aufgehoben. Der Verlust der vertrauten Umgebung verstärkt ihre Ruhe- und Ziellosigkeit. Was sie vor allem bräuchten, ist menschliche Zuwendung, doch für die ist weder Geld noch Zeit da. Zu verantworten hat das der Gesetzgeber, der die Demenz in der Pflegeversicherung bisher schlicht ignoriert hat. Spielen, Zuhören, Spazieren gehen - all das kam bisher in keinem Leistungskatalog vor und wurde deshalb nicht bezahlt.
Diesen Fehler hat die Regierung mit der Pflegereform zu korrigieren begonnen. Die Pflegekasse zahlt zusätzliche Betreuungsstellen in Heimen. Das wurde an dieser Stelle schon gelobt. Nur war seinerzeit noch keine Rede davon, dass diese Stellen Spielmasse eines neuen Beschäftigungsprogramms für Langzeitarbeitslose sein sollen. Wer das kritisiert, wird vom Gesundheitsministerium der Arroganz geziehen. Welch ein Unsinn: Niemand hat etwas dagegen, dass sich Arbeitslose um diese Stellen bewerben. Wer für diese schwierige Aufgabe fachlich und seelisch gerüstet ist, wird den Job bekommen. Doch viele würden ihn - ohne Beschäftigungsprogramm - nicht bekommen. Darin äußert sich keine Arroganz, sondern das Wissen von Experten um die Tücke dieser Krankheit. Mit ihr umzugehen, erfordert besondere Charaktere. Die lassen sich nicht per Schnellkurs einhauchen. Die Demenz entwickelt sich rasend schnell zur Volkskrankheit unserer alternden Gesellschaft. Sie verdient jede politische Aufmerksamkeit, aber nicht als Mittel zum Zweck einer schöneren Arbeitslosenstatistik.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 / 804-2727 zentralredaktion@waz.de
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