LVZ: Leipziger Volkszeitung zu EU/Russland
Geschrieben am 01-09-2008 |
Leipzig (ots) - Im politischen Arsenal des Kreml zählt das einfache Teile-und-herrsche-Prinzip seit jeher zu den effektivsten Waffen - insbesondere was die Europäische Union betrifft. Geht's darum, einen gemeinsamen Kurs in der Außenpolitik zu finden, erweist sich der mittlerweile auf 27 Mitglieder angewachsene Klub regelmäßig als harmlose Truppe, die krampfhaft den Gleichschritt sucht. Die Brüsseler Malaise ist für gewöhnlich Moskaus große Stärke. Der EU-Sondergipfel zur gefährlich schwelenden Kaukasus-Krise hat nun erfreulicherweise gezeigt, dass es auch anders geht. Indem die 27 Staats- und Regierungschefs die russische Aggression in Georgien und damit das imperiale Großmachtstreben in scharfem Tonfall verurteilen, senden sie ein klares Signal der Geschlossenheit. Nun mögen notorische EU-Nörgler einwenden, dass die Brüsseler Zehn-Punkte-Erklärung den Herren im Kreml wenig imponieren wird. Doch damit irren sie. Die EU ist - wenn auch in ihrer typischen Behäbigkeit - dabei, rote Linien zu markieren, die Moskau künftig nicht mehr überschreiten sollte. Gleichzeitig taten die Staatschefs gut daran, der großen Versuchung zu widerstehen, Moskau mit empfindlichen Sanktionen mal so richtig abzuwatschen. Das wäre ganz im Sinne der Balten, Polen, Tschechen und - mit Abstand - auch der Briten gewesen. Aber die traditionelle Dialog-Fraktion, angeführt von den großen EU-Ländern Deutschland und Frankreich - verhinderte ein nervöses Drehen an der Eskalationsspirale. Europa braucht Russland in vielerlei Hinsicht: als Tankstelle, als engen Verbündeten in der Terrorismusbekämpfung, aber auch als kaufkräftigen Wirtschafts- und Handelspartner. Nur: Die Abhängigkeit beruht auf Gegenseitigkeit. Ohne den Westen vermag Russland seine immer noch sehr veraltete Wirtschaft niemals auf Vordermann zu bringen. Der Brüsseler Gipfel ist nur ein Abschnitt einer heftig umkämpften Schachpartie, nun ist Moskau am Zug. Es ist an den Putins, Medwedews & Co zu beweisen, dass sie keine skrupellosen Aggressoren und flegelhafte Neureiche sind, sondern seriöse Partner. Die EU steht am Scheideweg, heißt es im Gipfel-Kommunique. Wohl wahr. In ihrer ungestümen Erweiterungseuphorie hat die EU auf sträfliche Weise eine der elementarsten Frage außer Acht gelassen: Wo genau ist Russlands Platz in Europa? Der Brüsseler Gipfel markiert nicht das Ende einer äußerst kontroversen Grundsatzdebatte, sondern erst den Anfang.
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