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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur SPD

Geschrieben am 07-09-2008

Bielefeld (ots) - Was für eine Tragödie, welch ein Drama: Die SPD,
älteste deutsche Volkspartei, ringt um ihre politische Existenz. Nach
zweieinhalb Jahren der Machtkämpfe, der offensichtlichen
Führungslosigkeit und des freien Falls in den Wählerumfragen ziehen
die letzten alten Kämpen der Partei die Reißleine. Kurt Beck, der
Mann ohne Fortüne und ohne Visionen, der sich zuletzt nur noch als
Opfer von Polit-Mobbing sah, muss seinem Vorvorgänger als Parteichef
weichen.
Der 7. September 2008 wird auf ewig als Tag der Wende in die Annalen
der Partei eingehen. Entweder die SPD zerfällt endgültig in eine
bürgerliche und eine neosozialistische Fraktion. Oder sie findet zu
jener Einigkeit zurück, aus der sie über Jahrzehnte hinweg ihre Kraft
bezog.
Die Rückkehr Franz Münteferings macht den zweiten Fall
wahrscheinlicher. Der Sauerländer steht für »klare Kante« und den
Kurs der politischen Mitte. Anders als Beck nimmt man dem früheren
Vizekanzler ab, dass er die SPD von der Linkspartei abgrenzt. Und
anders als Beck ist Müntefering an der Parteibasis hoch geachtet.
Auch die Parteilinke mit ihrer Frontfrau Andrea Nahles, die Kurt Beck
während seiner gesamten Amtszeit auf der Nase herumgetanzt ist, wird
sich dem neuen, alten Parteichef fügen müssen. Als sich Andrea Nahles
vor drei Jahren im Streit um den Generalsekretärsposten gegen den
Müntefering-Kandidaten Kajo Wasserhövel durchsetzen wollte, zog der
Parteichef die Konsequenzen und warf die Brocken hin. Ein zweites Mal
darf Nahles nicht gegen ihn aufmucken.
Dabei ist es schon eine Fügung von geradezu Shakespeare'scher
Dramatik, dass ausgerechnet jener Mann, der der Politik entsagte, um
seine krebskranke Frau bis zu ihrem Tod zu pflegen, nun der schwer
angeschlagenen SPD auf die Füße helfen soll. Doch weit und breit ist
niemand in Sicht, der auch nur ansatzweise das Format des 68-jährigen
Urgesteins aufzubieten hätte. Die SPD - eine Partei ohne
Führungsnachwuchs.
Nicht anders ist auch zu erklären, dass der in der Öffentlichkeit
bislang eher blass wirkende Frank-Walter Steinmeier nun tatsächlich
als Kanzlerkandidat der SPD gegen die Amtsinhaberin Angela Merkel
antritt. Steinmeier steht wie Müntefering für die politische Mitte,
er gehört zu den Architekten der »Agenda 2010«. Am Ende war es wohl
sein Drängen, endlich eine Antwort auf die K-Frage zu geben, die den
abermals zaudernden Beck in Panik und zur Aufgabe brachte. »Der Tag
ist anders verlaufen, als wir uns das vorgenommen hatten«, musste
Steinmeier nach dem politischen Erdbeben in der SPD konstatieren.
Immerhin: Der Fortbestand der Großen Koalition bis zum Wahltag am 27.
September kommenden Jahres ist mit dem Führungswechsel an der
SPD-Spitze wahrscheinlicher geworden. Angela Merkel hat stets betont,
dass sie die Verlässlichkeit des Vizekanzlers Müntefering zu schätzen
wusste. Ihr Verhältnis zum SPD-Vorsitzenden Müntefering wird
sicherlich nicht schlechter sein.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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