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Südwest Presse: Thema SPD

Geschrieben am 08-09-2008

Ulm (ots) - Kurt Beck hat die Rollläden nicht heruntergelassen.
Als Mainzer Ministerpräsident spielt er zumindest weiter eine
Nebenrolle auf der politischen Bühne. Doch ansonsten hat sein
Rücktritt als SPD-Chef durchaus etwas von Oskar Lafontaines abrupter
Flucht aus der Verantwortung 1999. Nach seinem bis in die
Parteispitze hinein unerwarteten Abgang befindet sich vor allem die
Parteilinke, die unter Beck ihren Einfluss auf den
sozialdemokratischen Kurs ausgebaut hat, in einer Art Schockstarre.
Die SPD hat ihren Mitgliedern und Wählern spätestens seit Lafontaines
Putsch gegen Rudolf Scharping 1995 viel zugemutet mit ihren
personellen Rochaden. Ein solcher Verschleiß an Vorsitzenden ist
zwangsläufig mit Grabenkämpfen und bleibenden Wunden im Inneren und
schwerwiegendem Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit verbunden. Es
ist ihr nun eine Phase der Kontinuität zu wünschen - im Interesse der
Partei, aber auch des ganzen Landes, das eine starke, sozial
orientierte, jedoch der Realität verpflichtete Volkspartei braucht.
Franz Müntefering, dem gestandenen und disziplinierten Parteisoldaten
alter Schule ist es auch zuzutrauen, eine solche Sammlung und
Selbstfindung der Sozialdemokraten zu initiieren und zu organisieren.
Doch zunächst droht ihm und dem Kanzlerkandidaten Frank Walter
Steinmeier eine Neuauflage der alten Flügelkämpfe, die der
sozialdemokratischen Vorsitzendenrotation Schwung gegeben haben.
"Wir haben mit der Agenda 2010 dazu beigetragen, dass die
Arbeitslosigkeit gesunken ist." Diese Feststellung Münteferings bei
seinem Comeback im Münchner Hofbräukeller in der vergangenen Woche
war nicht nur eine von mehreren Spitzen gegen den zunehmend
agenda-skeptischen Kurt Beck, sie gibt auch die Linien der
inhaltlichen Auseinandersetzung in der Partei zumindest bis zur
Bundestagswahl in einem Jahr vor. Müntefering und Steinmeier, zwei
der Väter der Agenda 2010, wären als Spitzenduo bei dieser Wahl
unglaubwürdig, würden sie vom Agenda-Kurs des Forderns und Förderns
noch weiter abweichen, als es bereits geschehen ist. Damit jedoch
wird sich die SPD-Linke so leicht nicht zufrieden geben - man darf
gespannt sein, ob dem alten Fuchs "Münte" eine personelle Befriedung
seiner Partei ungeachtet dieses in den kommenden zwölf Monaten kaum
auflösbaren Sachkonflikts gelingt.
Eine andere Erblast der kurzen Episode Beck hat er mit der
Auseinandersetzung mit der Linkspartei Lafontaines und Gysis zu
schultern. Eine rot-grüne Landesregierung von Gnaden der Linken in
Hessen wäre für die SPD im Bund eine zu schwere Hypothek - doch
allein mit guten Worten lässt sich Andrea Ypsilanti vom erneut
eingeschlagenen Irrweg in Wiesbaden nicht abbringen. Müntefering wird
sich jedoch innerparteilich wie öffentlich daran messen lassen
müssen, wie es ihm gelingt, die einstmals stolze SPD wieder vom
Gängelband der Linkspartei zu befreien.
In der schwarz-roten Bundesregierung wird nach diesem Wochenende
endgültig die Profilierung der Parteien Vorrang vor sachorientierter
Problemlösung haben. Wenn die Kanzlerin und ihr Vize bereits in zwölf
Monaten um die Gunst der Wähler konkurrieren, ist eine Unterordnung
der Parteiinteressen nicht mehr zu erwarten. Auch ein um neues
sozialdemokratisches Selbstbewusstsein und Profil ringender Franz
Müntefering wird eine andere Rolle spielen als in der ersten Phase
der großen Koalition - da war er neben Angela Merkel noch Denker und
Lenker des Bündnisses.
"Opposition ist Mist" - einer der prägnanten Kurzsätze des Franz
Müntefering. Die anstehende grundlegende Restauration seiner Partei
allerdings ist in der Regierungsverantwortung nahezu unmöglich.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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