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WAZ: Finanzkrise - Mit Schneebällen Hochöfen löschen - Leitartikel von Detlef Fechtner

Geschrieben am 18-09-2008

Essen (ots) - Für Banker ist der morgendliche Blick in die
Tageszeitung derzeit ein masochistisches Ritual. Börsentäglich geht
ein Finanzkonzern in die Knie - oder wird gerade noch durch
Notverkauf gerettet. Auch dem Bürger kann bange werden. Er
registriert mit Sorge, dass die Notenbanken ständig Milliarden in den
Markt pumpen. Aber genauso gut könnten sie versuchen, einen Hochofen
mit Schneebällen zu löschen.

Stürzt gerade das ganze Finanzsystem in sich zusammen? Nein. Oder
zumindest: Aller Voraussicht nach nein - ganz sicher kann sich
schließlich niemand sein in Zeiten, in denen die ersten Adressen der
Wall Street von jetzt auf nun verschwinden. Vieles spricht dafür,
dass die meisten Banken, Sparkassen und Versicherungen das Beben
überstehen werden. Zumindest jene, die sich nicht nur um doppelt
geswapte Nullkuponanleihen kümmern, sondern auch um Sparbücher und
Betriebskredite.

Kein Wunder, dass sich die Deutsche Bank gerade jetzt die
Postbank angelt. Es ist nur ein paar Jahre her, da wollte sie das als
renditeschwach verspottete Geschäft mit Kleinkunden aufgeben und sich
aufs hochgelobte Investmentbanking konzentrieren. Heute wird man
heilfroh sein, dass das nicht geklappt hat. Denn längst ist
Hausmannskost angesagt, nicht Nouvelle Cuisine.

Ist der Kasino-Kapitalismus am Ende? Ja. Zumindest wenn damit
jenes völlig übersteigerte Bankgeschäft gemeint ist, das eine Menge
sinnloser Kapitalmarktprodukte hervorbrachte. Das einige überbezahlte
Banker dafür belohnte, für schwankende Kurse und spekulative
Übertreibungen zu sorgen. Und das alle erdenklichen Risiken in
Wertpapiere verpackte und neu zusammenstellte - bis am Ende jeder
glauben konnte, die Risiken wären aus der Welt.

Gewiss, auch in Zukunft wird es Spekulanten geben und
Terminbörsen und auch Preisblasen, denn die gab es schon immer. Aber
der - sprachlich als "Investmentbanking" geschönte - Versuch, die
ganze Welt zum Spekulationsobjekt zu machen, ist zunächst
gescheitert. Das große Glücksspiel ist erst einmal aus.

Eigentlich müsste das ein Anlass sein, um erleichtert zu sein.
Aber noch ist nicht raus, was dieser lehrreiche Kollaps den
Steuerzahler kostet. Keiner kann sagen, wie viele Finanzspritzen
nötig sind. Niemand weiß, wie stark die Krise die Wirtschaft bremst.
Das Risiko zu bestimmen ist fast so schwer wie bei den komplizierten
Wertpapieren, die das Debakel ausgelöst haben.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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