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Börsen-Zeitung: Unvorstellbar? Kommentar von Bernd Wittkowski zur gedanklichen Übertragung des US-Rettungsplans für die amerikanische Finanzbranche auf Deutschland

Geschrieben am 23-09-2008

Frankfurt (ots) - Die Deutsche Bank und die neue Commerzbank samt
Dresdner kommen unter staatliche Zwangsverwaltung. Einen oder zwei
mittelgroße Akteure aus dem Kreditgewerbe lässt man über die Wupper
gehen. Die Bundesbank übernimmt die Kontrolle über die Allianz. Den
Rest des privaten Teils der Geldbranche wickelt die von einer Bad
Bank zur "Worst Bank" beförderte KfW ab. Für die Rechnung von grob
geschätzt irgendwas zwischen 100 und 200 Mrd. Euro kommt der deutsche
Steuerzahler auf. Ein Horrorszenario? Sicher. Aber andererseits nur
eine - vielleicht ein wenig holzschnittartige - gedankliche
Übertragung der ganz realen US-Verhältnisse auf Deutschland.

Unvorstellbar, dass solch ein Szenario hierzulande oder in einem
anderen EU-Land Wirklichkeit werden könnte? Die seit über einem Jahr
grassierende globale Finanzkrise lehrt, mit Kategorien wie
"unvorstellbar" äußerst zurückhaltend umzugehen. Waren bis Mitte 2007
etwa die Fälle IKB/KfW oder SachsenLB auch nur annähernd in der
Dimension, wie sie dann realiter abgelaufen sind, vorstellbar? War in
Großbritannien vor 13 Monaten der Run auf Northern Rock vorstellbar,
wie er sich schließlich im September vorigen Jahres ereignete? Und
waren noch vor wenigen Wochen die historischen, kurzerhand mit
vermeintlich unumstößlichen Idealen und Traditionen brechenden
Umwälzungen vorstellbar, die seit kurzem fast im Stundentakt die
US-Finanzlandschaft bis zur Unkenntlichkeit verändern?

Seit US-Finanzminister Paulson den Rettungsplan für die taumelnde
heimische Finanzbranche angekündigt hat, vergeht kein Tag, ohne dass
der deutsche Amtskollege Steinbrück und Politiker anderer führender
Industrieländer geradezu beschwörend darauf hinweisen, sie müssten
das Vorgehen der USA nicht kopieren, die Verhältnisse seien nicht
vergleichbar. Was sonst sollte eine europäische Regierung sagen? Sie
kann ja die nächste Eskalationsstufe nicht noch herbeireden. Die
Verantwortlichen auf allen Ebenen - Politik, die Banken selbst oder
nicht zuletzt die Medien - müssen alles tun, um zu verhindern, dass
sich die spürbare Nervosität von Bankkunden zur Panik auswächst. Aus
den Beschwichtigungsversuchen der Regierungen (wie auch der
Notenbanken) sollte man indes nicht schließen, dass es an
Problembewusstsein fehlt oder gar Sorglosigkeit herrscht. Auch
Europas Politiker und Währungspolitiker haben in der Krise gelernt,
dass fast nichts mehr unvorstellbar ist.

(Börsen-Zeitung, 24.9.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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