ots.Audio: Kinder mit Sprachstörungen leiden unter Budgetierung - Ärzten droht Regress bei zu vielen Logopädie-Rezepten - MEDI Deutschland: Die Absurdität der Durchschnittswerte
Geschrieben am 29-09-2008 |
Stuttgart/Bammental (ots) -
- Querverweis: Audiomaterial ist unter http://www.presseportal.de/audio und http://www.presseportal.de/link/multimedia.mecom.eu abrufbar -
Anmoderation: Immer mehr Kinder in Deutschland sprechen schlecht. Die neuesten Schätzungen von Experten besagen, dass ein Viertel aller Vorschulkinder sprachlich auffällig ist, Tendenz steigend. Etwa jedes zehnte Kind hat eine eindeutige Sprachentwicklungsstörung. Die Gründe für den Anstieg sind unklar. Für Kinderarzt Dr. Thomas Fröhlich vom Ärzteverbund MEDI Deutschland spielt aber mit Sicherheit eine Rolle, dass mit besseren Behandlungsmethoden auch die Wahrnehmung wächst - sprich: Sprachgestörte Kinder fallen mehr auf als früher. Dabei sind die Einzelfälle ganz verschieden, sagt Dr. Fröhlich:
1. O-Ton Dr. Thomas Fröhlich: Einesteils die, die eine nicht sehr entwickelte Mundmotorik und Zungenmotorik haben, und zum anderen Kinder, die - aus welchen Gründen auch immer - Silben in Worten weglassen. Das nennt man Stammeln. (0:15)
Wieder andere Kinder sprechen bestimmte Konsonanten nicht richtig aus - das bekannteste Beispiel dafür ist das Lispeln. Sprachentwicklungsstörungen werden mit Logopädie behandelt, verschrieben vom Kinderarzt. Das passiert selten vor dem Kindergartenalter, denn oft machen die betroffenen Kinder im Kindergarten nochmal einen richtigen Entwicklungssprung. Notgedrungen, sagt Dr. Fröhlich.
2. O-Ton Dr. Thomas Fröhlich: Innerhalb der Familie werden die ja dann immer noch gut verstanden und kommen praktisch an alle Ziele, die sie erreichen möchten. Aber im Kindergarten klappt das dann nicht mehr so sehr. (0:08)
Wenn sich aber im frühen Kindergartenalter die Sprachprobleme nicht bessern, wird der Kinderarzt reagieren und bei Bedarf Logopädie verordnen. Doch viele Kinderärzte stehen vor einem Problem, und das heißt Budgetierung, so der MEDI-Arzt.
3. O-Ton Dr. Thomas Fröhlich: Was bedeutet Budget? Nehmen wir an, der Zufall will und ich habe an einem Tag vier Kinder, die ganz klar stammeln, und in allen vier Fällen ist es ganz eindeutig, dass die Logopädie brauchen. Da ich aber am selben Tag vielleicht nur 30 andere Kinder behandelt habe, die kein Rezept brauchen, ist das proportional einfach zu häufig. (0:21)
Das heißt: Für jedes Kind, das Logopädie bekommt, braucht der Kinderarzt genügend andere Patienten, denen er nichts verordnen muss. Das nennt Dr. Fröhlich die Absurdität der Durchschnittswerte. Denn das Budget berücksichtigt die Eigenheiten der einzelnen Praxis nicht - wie etwa bei Dr. Fröhlich, der auch Psychotherapeut ist und deshalb mehr Patienten mit Sprachstörungen hat. Genausowenig dürfen zufällige Häufungen eine Rolle spielen. Die gibt es zwar, doch das Budget gilt.
4. O-Ton Dr. Thomas Fröhlich: Wenn man da drüber hinauskommt, kann man nicht heranziehen: "Der Zufall hat es gewollt. In diesem Quartal sind einfach so und so viele, die haben aber alle wirklich den Sprachfehler gehabt.", sondern da wird gesagt "Das interessiert uns nicht. Es ist über der Norm". Und Sie privat - und das ist halt der zweite Pferdefuß an diesem Budget - Sie privat müssen die Logopädieleistung bezahlen. Aus eigener Tasche. (0:22)
Die Drohung mit dem Regress von Seiten der Krankenkassen soll die Ärzte zwingen, die Budgets einzuhalten - ganz egal, was der einzelne Patient wirklich braucht. Dr. Fröhlich wünscht sich mehr Vertrauen darauf, dass Ärzte sinnvoll und verantwortlich verordnen. Solches Vertrauen ist zum Beispiel die Grundlage des neuen Vertrags zur hausarzt-zentrierten Versorgung, die die AOK Baden-Württemberg mit Kinderärzten und Allgemeinmedizinern geschlossen hat. Doch das bleibt in Deutschland die Ausnahme.
5. O-Ton Dr. Thomas Fröhlich: Im anderen Fall ist es so, dass einfach eine obere Grenze vorgegeben ist und gnadenlos - das muss man dann sagen - abgestraft wird, wenn diese überschritten wird. (0:10)
Abmoderation: Die Zeche dabei zahlen am Ende womöglich die Patienten. Denn der Arzt steht vor der Entscheidung: Entweder setzt er sich über das Budget hinweg und riskiert, privat für die Überschreitungen zu haften. Oder aber er hält das Budget ein - die Folge kann für kleine Patienten sein, dass sie ihre Logopädie erst im nächsten Quartal verschrieben bekommen. Wenn das Budget es dann wieder hergibt.
ACHTUNG REDAKTIONEN: Das Tonmaterial ist honorarfrei zur Verwendung. Wir bitten jedoch um einen Hinweis, wie Sie den Beitrag eingesetzt haben an desk@newsaktuell.de.
Originaltext: MEDI Deutschland Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/61059 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_61059.rss2
Pressekontakt: MEDI Deutschland, Angelina Schütz, 0711 806079 73 all4radio, Wolfgang Sigloch, 0711 3277759 0
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