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Berliner Morgenpost: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen - Kommentar

Geschrieben am 27-10-2008

Berlin (ots) - Deutschlands Wirtschaftsaussichten haben sich stark
eingetrübt. Nicht nur in der Automobilbranche ist die Krise
angekommen. Auch andere Wirtschaftszweige klagen über stark
rückläufige Auftragseingänge. Die Furcht vor einer massiven Rezession
geht um. Die Bundesregierung, die noch vor Kurzem glaubte,
Deutschland werde die Finanzkrise weitgehend unbeschadet überstehen,
muss sich auf eine ganz neue Situation einstellen: Just im Jahr der
nächsten Bundestagswahl droht dem Land eine Wirtschaftsflaute mit
steigender Arbeitslosigkeit, sinkenden Steuereinnahmen und neuen
Löchern in den Sozialkassen.
Angesichts dieser unschönen Aussichten ist die Hektik, mit der
innerhalb der Koalition nun nach kurzfristig wirksamen Maßnahmen
gesucht wird, um den Abschwung zu verhindern, verständlich. Doch die
Rezepte überzeugen nicht. Aus den Reihen der SPD wird - wie stets,
wenn das Wirtschaftswachstum nachlässt - ein milliardenschweres
Konjunkturprogramm gefordert. 25 Milliarden Euro solle Finanzminister
Peer Steinbrück lockermachen. Die Linkspartei verlangt kurzerhand den
doppelten Betrag. Auch die Union hält es für sinnvoll, auf Pump
Schulen und Straßen zu sanieren, um auf diese Weise den Arbeitsmarkt
zu stützen.
Der zu befürchtende Aktionismus der Koalition bedient das allgemeine
Volksempfinden, dass nach den Banken nun auch die Arbeitnehmer,
Handwerker und Mittelständler staatliche Hilfe bekommen sollen. Dass
die Schulden von heute die Steuern von morgen sind, ignorieren die
Befürworter des starken Staates gerne. Dabei war es die schwarz-rote
Koalition, die den Deutschen die größte Steuererhöhung der
Nachkriegszeit zugemutet hat - mit dem Versprechen, den Haushalt zu
sanieren. Die Bevölkerung sollte sich daran erinnern, wie unangenehm
die dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung war, wenn sie jetzt teure
Kurzfristmaßnahmen bejubelt.
Nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die Unionspolitiker
scheinen die Haushaltskonsolidierung völlig in den Wind geschrieben
zu haben. Ohne wirtschaftspolitischen Kompass irren sie durch die
Krise. Mit dem Bankenrettungsplan hat sich die Koalition kurzfristig
handlungsfähig erwiesen. Doch wie Deutschland nach der Krise dastehen
wird, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der Staat sich finanziell
überhebt. Die Union sollte nicht alle ihre Grundsätze über Bord
werfen. Die gigantischen Summen, die im Zusammenhang mit der
Bankenkrise bereitgestellt werden, lassen die Beträge, um die es bei
der geplanten Konjunkturstützung geht, vertretbar erscheinen. Doch
wie viel die Finanzinstitute von dem 500-Milliarden-Rettungspaket
tatsächlich benötigen, ist derzeit überhaupt nicht absehbar. Falls
die Stabilisierung gelingt, wird es für den Staat gar nicht so teuer.
Auf den Ausgaben für ein konjunkturpolitisches Strohfeuer im Vorfeld
der Bundestagswahl bliebe der Steuerzahler hingegen in jedem Fall
sitzen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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