Westdeutsche Zeitung: Bankberater sind keine Betreuer, sondern Verkäufer - Ein System aus Missverständnissen = Von Christoph Lumme
Geschrieben am 30-10-2008 |
Düsseldorf (ots) - Ein Berater, der einer 91-Jährigen Zertifikate der Pleite-Bank Lehmann Brothers andreht und zusätzlich noch eine Privatrente aufschwatzt, die sie im Alter von 159 Jahren beziehen würde - das ist der Gipfel der Dreistigkeit.
Aber dieser Einzelfall ist zu absurd, um exemplarisch zu sein. Nein, der durchschnittliche Bankberater brennt nicht darauf, alte Menschen auszuplündern. Aber er ist Gefangener eines Systems, das Missverständnisse provoziert. Wer bei einer Sparkasse, Volksbank oder Privatbank mit Kleinanlegern über Anlagemöglichkeiten spricht, der führt kein Beratungsgespräch. Der führt schlicht ein Verkaufsgespräch.
Dem Kunden muss klar sein: Sein Gegenüber steht unter enormem Druck, nicht nur, weil erfolgreiche Überredungskunst mit Provisionen belohnt wird. Er steht auch deshalb unter Druck, weil sein Unternehmen von ihm verlangt, Sparer in immer neue, hauseigene Produkte hineinzutreiben. Erst ein Blick ins Kleingedruckte zeigt, dass die vermeintliche Gratis-Beratung versteckte Kosten in Form von Ausgabeaufschlägen, Rückvergütungen und Zuwendungen enthält - und dass Anlagen, die mehr Rendite bringen als Sparbücher, nun einmal Risiken und Nebenwirkungen haben. Vielen Kunden blieben diese Rollenzwänge bisher verborgen, was historische Ursachen hat: Traditionell war in Deutschland das Verhältnis zwischen dem Anleger und seinem "Bankbeamten" ein ganz besonderes, vergleichbar dem von Arzt und Patient. Diesem Mythos von der Vertrauensperson heute noch anzuhängen, ist jedoch naiv.
Schon nach dem Platzen der New-Economy-Blase standen Bankberater zwar kurzfristig am Pranger. Dann aber kehrten sie zu ihrem Geschäft zurück, so als hätten sie nicht Millionen risikoscheuen Kleinanlegern riskante Aktienfonds verkauft.
Beim aktuellen Crash hingegen bleibt diese Vertrauensbasis nachhaltig ruiniert, so dass das ganze System der Bankberatung zur Disposition steht: Die Banken müssen begreifen, dass sie verloren gegangenes Vertrauen nur durch Seriosität zurückgewinnen können. Die Anleger müssen lernen, dass sie eine unabhängige Beratung nur bei unabhängigen Instituten und Experten erhalten. Und die Politik muss einsehen, dass sie die Verbraucherzentralen mitsamt ihrer Finanzberatung nicht länger kaputtsparen darf.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
Pressekontakt: Westdeutsche Zeitung Nachrichtenredaktion Telefon: 0211 / 8382-2358 redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
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