Neues Deutschland: Zum Wahlsieg von Barack Obama
Geschrieben am 05-11-2008 |
Berlin (ots) - Mag sein, dass die US-Truppen aus Irak langsamer abgezogen werden, als Obama angekündigt hat. Mag sein, dass manches, was er an neuer sozialer Gerechtigkeit verspricht, auf der Strecke bleibt. Mag sein, dass Obama den Weg atomarer Abrüstung mit Schritten geht, die für die Vision einer baldigen Welt ohne Atomwaffen sehr klein anmuten. Mag sein, dass seine Maßnahmen zur ökologischen Rettung des Planeten zögerlicher ausfallen, als erforderlich ist. Mag sein, dass Obama die Mauern zwischen Arm und Reich, die auch solche zwischen den USA und dem größten Teil der übrigen Welt sind, nicht so heftig niederreißt, wie er zu reden versteht. Mag also sein, dass der ab Januar neue Präsident der USA Hoffnungen enttäuscht, die zu groß geraten sind. Und mag also sein, dass der Tag lauter Kritik kommt. Aber nicht heute. Heute ist von anderem zu reden. Die Wirklichkeit der USA ist von der Geburt der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, vom zivilen Ungehorsam Rosa Parks in einem Bus in Alabama, vom großen Marsch für Frieden und Jobs nach Washington und von der schließlichen Aufhebung der Rassengesetze nicht mehr als eine bis zwei Generationen entfernt. Die Ermordung Martin Luther Kings und die brutale Verfolgung der Black-Power-Bewegung folgten dennoch, und die ungesetzliche Diskriminierung von Schwarzen in Schulen, Arbeitsstellen und Gerichtssälen gehören noch vielerorts zum gar nicht immer klandestinen Alltag. Barack Obama hat in einer beeindruckenden Rede zu Beginn dieses Wahljahres in Philadelphia ausgesprochen, dass die »Rassenfrage« die »Erbsünde dieser Nation« ist, »die wir nie ausgeräumt haben«. Er wird sich keine Illusion machen, dass dies mit seiner Wahl zum ersten schwarzen Präsidenten erledigt ist. Er wird wissen, dass und welche Widerstände und Anfeindungen ihm bevorstehen. Dagegen wird er viel Unterstützung, auch Geduld brauchen. Ab heute. Hinter Barack Obama hat sich eine neue Mehrheit in der US-Gesellschaft gebildet, die sich am Ende der desaströsen Bush-Ära nach einem gründlichen Wandel sehnt. Der erste Schwarze im Weißen Haus wird diese Mehrheit bitter benötigen, wenn es ihm auch nur mit einem Bruchteil seines Programms ernst ist. Und er wird sie nicht nur als Wähler, sondern als dauerhafte Bewegung brauchen, die ihren Sieg vom 4. November so energisch verteidigt und nutzt, wie sie ihn ausgiebig feiert. Dieser Sieg ist nicht mehr als ein Anfang, doch dies immerhin. Alles Gute, USA!
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