Rheinische Post: Rückkehr des amerikanischen Traums
Geschrieben am 05-11-2008 |
Düsseldorf (ots) - von Sven Gösmann
Ein Wort begleitet zu Recht die Wahl Barack Obamas - historisch. Der Einzug des ersten schwarzen Politikers ins Weiße Haus - historisch. Die mit der Rekord-Wahlbeteiligung verbundene Repolitisierung der Bush-verdrossenen US-Gesellschaft - historisch. Die Rückkehr des amerikanischen Traums, dass ein jeder alles erreichen kann, wenn er nur hart genug dafür arbeitet - historisch. Die weltweit ins Rauschhafte gehende Begeisterung über Obamas Wahl - auch sie historisch. Diese Bürde legt sich sofort schwer auf Obamas Schultern. Die Erwartungen der verzückten Menge in Chicago, seines durchgerüttelten Landes und der zerstrittenen Weltgemeinschaft schlingen sich wie unsichtbare Fesseln um ihn. Vielleicht wirkte Obama deshalb trotz seiner gewohnt geschliffenen Rede in Chicago ein wenig gedämpft. Da so vieles an seiner Wahl historisch ist, greift auch Obama auf die Geschichte zurück. Auch in Chicago bediente er sich gleich mehrfach bei seinem demokratischen Amtsvorgänger John F. Kennedy, den er ganz offensichtlich zu einem seiner Rollen-Vorbilder gewählt hat. Kennedys Forderung "Frag nicht, was dein Land für dich tun kann. Frag, was du für dein Land tun kannst" übersetzte Obama in die Moderne mit "Ich höre eure Stimmen, ich brauche eure Hilfe." Kennedys "New Frontier", der Aufbruch ins Grenzland, ist für ihn das Land "Change", jener Ort des Wandels voller prächtiger Gipfel der Zufriedenheit, in den er alle zu führen verspricht. Der nette Herr Obama klingt nicht zufällig wie ein Prediger. Seine Stärke war und ist die Unterscheidbarkeit zu den anderen Vertretern seiner Kaste, übrigens weltweit. Wo diese wie Controller Konjunkturpakete schnürten, verpackte er Visionen. Doch der Wahlsieger Obama bereitet seine Anhänger nun auf die Begegnung mit der Realität vor, indem er im Moment des Triumphs die kommenden Enttäuschungen vorwegnahm: Nicht jeder werde mit allen seinen Entscheidungen einverstanden sein. So gibt uns Obama eine Ahnung davon, dass er ein offener, aber auch unbequemer, vielleicht unberechenbarer Präsident werden könnte. Ins Weiße Haus zieht ein Idealist ein. Einer, der vor einem Berg von Problemen wie kaum ein Präsident vor ihm steht: mit zwei schwelenden Kriegen im Irak und Afghanistan, vor allem aber der Finanzkrise, deren stümperhafte Behandlung durch die republikanische Administration ihm letztlich die Wahl bescherte. Mag sein, dass Obama es kann. Präsidenten aber werden vor allem an ihren Taten gemessen. Das ist eine historische Erkenntnis.
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