Deutsche Umwelthilfe setzt sich vor Bundesverwaltungsgericht gegen Verbraucherschutzministerium durch
Geschrieben am 20-11-2008 |
Berlin (ots) - Bundesrichter stärken Recht der Verbraucher auf Umweltinformationen -Behörden müssen Gerichten Verwaltungsakten ungeschwärzt überlassen - BMELV stufte Belastung von kartonverpackten Fruchtsäften mit Druckchemikalie ITX als Betriebsgeheimnis ein - DUH-Bundesgeschäftsführer Resch fordert verbraucherfreundlichere Auslegung des Umweltinformationsrechts - Aktuell DUH-Klage wegen Betrugsfiltern gegen Minister Tiefensee anhängig
Berlin, 20. November 2008: Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hat die Bundesregierung aufgefordert, ihre restriktive Informationspolitik gegenüber den Verbrauchern grundlegend zu ändern. Dazu seien im Einzelfall nicht einmal Gesetzesänderungen notwendig. Vielmehr müsse das geltende Umweltinformationsrecht nur korrekt angewandt werden. Zukünftig solle sich die Bundesregierung dabei an den berechtigten Interessen der Verbraucher orientieren und nicht wie bisher einseitig an denen der Industrie.
Anlass ist eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Az.: BVerwG 20 F 2.08) im Zusammenhang mit der Belastung von kartonverpackten Frucht- und Gemüsesäften mit der Druckchemikalie ITX, die vor allem im ersten Halbjahr 2006 Schlagzeilen gemacht hatte. Damals hatte die DUH gegen das vom heutigen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) geführte Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) auf Herausgabe von Daten zur ITX-Belastung von Frucht- und Gemüsesäften in Kartonverpackungen geklagt und parallel die Bevölkerung über von der DUH veranlasste Untersuchungen über hoch belastete Kartongetränke informiert.
Das Ministerium hatte die Informationsgewährung unter dem Hinweis verweigert, dass die Belastung eines Lebensmittels mit Druckchemikalien ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Herstellers darstelle. Auf die anschließende Anordnung des Gerichts, die Verwaltungsakten zur Überprüfung vorzulegen, reichte das Seehofer-Ministerium lediglich Unterlagen ein, die in wesentlichen Passagen geschwärzt waren. Nach dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat nun auch das Bundesverwaltungsgericht dieser Praxis mit seiner Grundsatzentscheidung ein Ende bereitet. Zum Schutz des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz sei es notwendig, dem Gericht ungeschwärzte Akten vorzulegen, in die auch der Kläger Einsicht nehmen kann, urteilten die Bundesverwaltungsrichter.
"Wir sehen das Urteil mit einem weinenden und einem lachenden Auge", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Einerseits seien große Mengen ITX-belasteter Säfte in farbigen Getränkekartonverpackungen, die 2006 nicht nach Stichproben der DUH aus den Regalen der Lebensmittel-Discounter entfernt worden waren, "durch die Kehlen der Verbraucherinnen und Verbraucher entsorgt" worden. Verantwortlich dafür war das Seehofer-Ministerium, das 2006 unter Missachtung seines Auftrags jede Mithilfe bei der Verbraucheraufklärung verweigerte. In der Folge blieben zahlreiche hoch belastete Gemüse- und Fruchtsäfte in Getränkekartons unentdeckt, von denen das Ministerium und Minister Seehofer Kenntnis hatten. Andererseits stärke "das Urteil für die Zukunft eindeutig die Informationsrechte der Verbraucher". Rechtswidrig habe Seehofer mit den Schwärzungen selbst dem Gericht die Möglichkeit einer eigenen Urteilsbildung über den Sachverhalt verweigert.
"Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bürgerrecht auf Umweltinformation gestärkt", erklärte der Berliner Umweltanwalt Dr. Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vertreten hatte. "Niemand anderes als ein Gericht kann darüber entscheiden, ob ein Informationsanspruch zu Recht geltend gemacht wird. Die Auffassung des BMELV, diese Entscheidung in eigener Machtvollkommenheit selbst treffen zu können und dem Gericht nur geschwärzte Unterlagen zu übersenden, ist überholt."
Resch forderte Seehofer-Nachfolgerin Ilse Aigner (CSU) und ihre Kabinettskollegen auf, "diese höchstrichterliche Entscheidung aufmerksam zu studieren und zum Anlass für eine grundlegende Kehrtwende in ihrer Informations- und Verbraucherschutzpolitik zu nehmen". Zwar komme der Spruch der Bundesverwaltungsrichter für den ITX-Skandal viel zu spät. Trotzdem sei das Urteil "brandaktuell". So verweigere Bundesverkehrsminister Tiefensee schon seit Monaten von der DUH auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes erbetene Auskünfte über die aktuelle Zahl der in Pkw eingebaute, nicht funktionstüchtige Betrugs-Partikelfiltersysteme des Herstellers GAT. Gegen die Auskunftsverweigerung ist eine DUH-Klage beim Verwaltungsgericht Schleswig anhängig.
Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V. Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2
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