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Südwest Presse: Kommentar zu Cross-Border-Leasing

Geschrieben am 26-11-2008

Ulm (ots) - Bis vor wenigen Wochen galt Cross-Border-Leasing unter
Kommunalpolitikern als eine Art finanzpolitisches Perpetuum mobile.
Das Rezept klang verführerisch: Man nehme seine
Müllverbrennungsanlage, das Trinkwassernetz oder das Kanalsystem,
vermiete oder verkaufe es an einen amerikanischen Investor, lege
einen Teil des Kaufpreises auf langfristige Konten und erzielte aus
Zinsgewinnen und Steuerersparnis Millionengewinne. Auf diese Weise
konnten sich viele Kommunen problemlos leisten, was sie sonst mühsam
über Kredite hätten finanzieren müssen. Die Anlage selbst blieb der
Stadt selbstverständlich erhalten, weil sie zurückgeleast wurde, für
25, 50 oder auch 99 Jahre.
Die Mär vom angeblich risikolosen Finanzgeschäft auf internationalem
Parkett platzte in der Finanz- und Bankenkrise der vergangenen Monate
wie eine Seifenblase. Aus dem vermeintlichen Segen wurde längst ein
Fluch. Allein weil der US-Versicherungsriese AIG in seiner
Kreditwürdigkeit zurückgestuft wurde und deshalb als Finanzgeber
ausfiel, drohen viele Verträge zu platzen, wenn sich kein neuer
Investor findet. Wenn sie nur könnten, würden viele Oberbürgermeister
und Zweckverbandsvorsitzende ihre finanziellen Glücksbringer von
einst liebend gern still und leise für ungültig erklären. Doch die
Rückabwicklung wäre, wenn überhaupt möglich, teuer und überstiege
wahrscheinlich die erzielten Gewinne. Deswegen kündigten die
Landeswasserversorgung und die Bodensee-Wasserversorgung
Preiserhöhungen für Trinkwasser an.
Wie konnte es so weit kommen? Letztlich gehören diese Vorgänge in das
Kapitel "Geiz ist geil und Gewinn ist alles". Eine Krankheit, die
große Teile der Gesellschaft erfasst hatte, bevor die bittere Medizin
der Finanzkrise sie auf den Weg der Besserung führte. Gesundet ist
sie deshalb noch lange nicht.
Dass Finanzjongleure zum Zocken neigen, hat kaum einen überrascht.
Dass es anscheinend ehrbare Banker und Firmenchefs tun, verwunderte
erheblich. Dass aber so viele Rathauschefs und Politiker so blauäugig
mitspielten, auch nachdem die US-Regierung Neuabschlüsse verbot, weil
der amerikanische Steuerzahler sie finanzieren musste, ist
unglaublich. Geldgier, auch wenn es nicht um den eigenen Geldbeutel
geht, macht offensichtlich blind für Risiken.
Was aber soll das Volk von seiner Elite denken? Erst waren es maßlose
Topmanager mit ihren grenzenlosen Gehaltswünschen, die mehr als ein
Stirnrunzeln hervorriefen. Dann die hochbezahlten Bankvorstände, die
viele Millionen in windigen Spekulationsgeschäften verzockten. Jetzt
sind es Oberbürgermeister und Verbandsvorsitzende, die dem Fetisch
Cross-Border-Leasing nachliefen. Vertrauensbildende Maßnahmen sehen
anders aus.
Sie hätten es wissen müssen, dass irgendeiner doch die Rechnung
bezahlen muss, von der sie profitierten. Zuerst waren es die
US-Steuerzahler, die bluteten. Das war nicht in Ordnung. Der Staat,
der selbst auf Steuerehrlichkeit dringt und Sünder verfolgt, kann
nicht selbst nach Schlupflöchern suchen. Der Staat in der Rolle eines
Winkeladvokaten, das ist wie eine Aufforderung zum Nachmachen.
Glaubwürdig oder beispielhaft ist solch ein Vorgehen bestimmt nicht.
Jetzt sind es die Kommunen, die zahlen müssen, weil ihre Gewinne aus
dem Leasing zum Großteil bereits aufgebraucht sind. Die Zeche zahlen
die Bürger. Wieder einmal.
Inzwischen denken Politiker nach, wie man das unseriöse
Cross-Border-Treiben beenden könnte. Einfach wird das nicht, und
teuer auf jeden Fall. Die Frage ist nur, ob der Schaden für die
demokratische Gesellschaft nicht wesentlich höher ist, wenn der Staat
mit schlechtem Beispiel vorangeht.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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