Südwest Presse: Kommentar zum Thema Pendlerpauschale
Geschrieben am 09-12-2008 |
Ulm (ots) - Vielen Pendlern hat das Bundesverfassungsgericht ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk beschert: Ihnen winken ein paar hundert Euro Steuerrückzahlung, wenn auch erst Anfang 2009. Das ist schön für sie. Allerdings profitieren nicht alle davon. Wer nur einen kurzen Weg zur Arbeit hat, geht leer aus - und ärgert sich vielleicht um so mehr, dass er kein günstiges Häuschen im Grünen hat. Wer hat nur die Abschaffung der Pendlerpauschale vor zwei Jahren beschlossen? Gemessen am Jubel, den die Karlsruher Richter in der Politik gestern ernteten, dürfte das Gesetz eigentlich im Parlament keine einzige Stimme bekommen haben. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ist der letzte aufrechte Befürworter, doch er hat gar kein Bundestagsmandat. Tatsächlich hat die schwarz-rote Koalition das Gesetz mit großer Mehrheit beschlossen. Auch die CSU, die seit Monaten so tut, als sei sie von Anfang an dagegen gewesen. Das ist schäbig und populistisch. Kein Wunder, dass ihr die Wähler in Bayern den Kampf für die Pendlerpauschale bei der Landtagswahl nicht abgenommen haben. Schon bei der Verabschiedung gab es begründete Warnungen, das Gesetz sei verfassungswidrig. Steinbrück hat nämlich einen merkwürdigen Zwitter ersonnen. Er hat zwar die Pendlerpauschale abgeschafft, sich dann aber doch nicht so ganz getraut: Fernpendler sollten sie ab dem 21. Kilometer weiter bekommen. Das mag sozial gedacht gewesen sein, aber es ist völlig willkürlich - und kontraproduktiv: Weiter gefördert werden lange Fahrstrecken, was zumindest unter ökologischen Gesichtspunkten völlig unsinnig ist. Kein Wunder, dass dies einer der Gründe für den Spruch der Verfassungsrichter war. Auch der zweite ist eine Ohrfeige für den Finanzminister: Er nannte für sein Vorgehen ausschließlich fiskalische Gründe. Der Staat braucht höhere Einnahmen angesichts der riesigen Haushaltslöcher. Doch näher betrachtet erklärte er damit die Willkür zum Prinzip: Mit dem Verweis auf die desolaten Einnahmen ließe sich jeder Eingriff begründen. Ungewöhnlich an dem Urteil ist, dass die Steuerzahler Geld zurück bekommen. Normalerweise stellen die Karlsruher Richter zwar fest, dass ein Gesetz nicht verfassungsgemäß ist. Sie lassen dem Gesetzgeber aber Zeit für eine Neuregelung, die zudem nur für die Zukunft gilt - eine angenehme Lösung für den Finanzminister, der damit vernünftig kalkulieren kann. Dieses Vorgehen macht es ihm aber auch leicht, verfassungsrechtlich problematische Regelungen zu treffen. Allzu laut sollten die Freunde der Pendlerpauschale jedoch nicht jubeln. Das Verfassungsgericht hat nämlich nicht grundsätzlich entschieden, dass sie keinesfalls abgeschafft werden darf - im Gegenteil: Die obersten Richter erkennen die Gestaltungshoheit der Politik an. Sie liefern sogar die Gebrauchsanleitung: Der Staat darf sehr wohl lenken oder das Steuerrecht vereinfachen. Nur muss er sich die Mühe machen, Eingriffe vernünftig zu begründen. Der Umweltschutz sollte in Zeiten des Klimawandels Grund genug sein, die Pauschale und ihre Ausgestaltung in Frage zu stellen. Im Wahlkampf sind die Arbeitnehmer davon allerdings schwer zu überzeugen. Da zählen Emotionen - und der persönliche Vorteil. Zudem sind Steuerentlastungen immer populär. Beifall bekommt auch, wer Freibier verspricht. Nach der Finanzierung fragt kaum einer, das ist unangenehm und unpopulär. Und doch ist sie eine zentrale Zukunftsfrage. Wie gefährlich es ist, wenn ganze Nationen auf Pump leben, zeigt sich gerade in diesen Tagen. Wer Wahlkampf mit Steuersenkungen macht, muss auch sagen, wie der Staat dauerhaft seine Ausgaben bestreiten oder wo er sparen soll. Alles andere ist letztlich Selbstbetrug.
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