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WAZ: Westerwelle und die Außenpolitik - Mehr Diplomatie wagen - Leitartikel von Angela Gareis

Geschrieben am 10-12-2008

Essen (ots) - Westerwelle würde gern Außenminister werden und wäre
dann der erste schwule Außenminister der Republik. Als solcher würde
er Ländern die Entwicklungshilfe streichen wollen, die Frauen
missachten und Homosexuelle hinrichten lassen. Das ist zunächst ein
mutiges Bekenntnis, weil der FDP-Chef sich der Kritik aussetzt, er
beziehe eine Position bloß aus persönlichem Interesse heraus.

Angela Merkel beispielsweise hält sich bewusst fern von
Diskussionen über Frauen und Gleichberechtigung, um dem Vorwurf zu
entgehen, sie betreibe Politik aus der Perspektive einer Frau. Hätte
sie jedoch Ursula von der Leyen nicht an ihrer Seite, die ganz offen
ihre Erfahrungen mit sieben Kindern in die Familienpolitik
einbezieht, dann würde die Kanzlerin mindestens seltsam neutral auf
Frauen wirken.

Positionen werden nicht deshalb falsch, weil ihr Inhaber
betroffen ist. Auch Westerwelles Position ist nicht deshalb falsch,
weil er mit einem Mann zusammenlebt, sondern weil er vielleicht kein
hervorragender Außenminister wäre. Als Oppositionsführer profiliert
Westerwelle sich derart scharf konturiert gegen die Große Koalition,
dass man manchmal den Eindruck hat, er male im nächsten Moment die
Innenwände des Bundestages schwarz und weiß an.

Entwicklungshilfe bedeutet, Hilfe bei einer Entwicklung zu
leisten, auf die man Einfluss ausüben möchte, und sei er noch so
gering. Auch eine wertegebundene Außenpolitik kann nur dann
funktionieren, wenn man Zugang zu den Ländern behält, denen man Werte
vermitteln will. Würde man aus Westerwelles Position ein Prinzip
formulieren, dann müssten die wirtschaftlichen Beziehungen zu China
oder Russland ebenso abgebrochen werden wie die mit Geld unterlegten
Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei.

Außenpolitik ist enorm kompliziert, wie der Streit zwischen der
Kanzlerin und ihrem Außenminister über den Umgang mit China und
Russland veranschaulicht hat. Frank-Walter Steinmeier suchte das
Gespräch über Tibet und Menschenrechte hinter verschlossenen Türen.
Angela Merkel empfing den Dalai Lama und kritisierte Wladimir Putin
vor Kameras. Das gefiel vielen Deutschen zwar gut, aber zwei
weltwichtige Regierungen fühlten sich gedemütigt. Westerwelle könnte
man zugute halten, dass er als Außenminister mehr Diplomatie wagen
würde. Allerdings steht auch ein Oppositionsführer in der Pflicht,
Bürgern graue Positionen dort zu erklären, wo Schwarz und Weiß eine
gefährliche Illusion sind.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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