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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:

Geschrieben am 11-12-2008

Bielefeld (ots) - Das Horrorszenario mag vor dem geistigen Auge
auftauchen: Die Fernsehkamera ist hautnah auf den Menschen gerichtet,
der sich aus diesem Leben verabschieden will. Live geht's hier zu.
Rundherum sitzen die Angehörigen, weinen, starren stumm in die Runde.
Sie stehen im Banne der aufdringlichen Objektive, die jede Einzelheit
im Großformat festhalten. Zwischendrin der Moderator, der leise und
gefühlvoll ins Mikrofon säuselt, aus dem Sterbevorgang ein Event
macht. Zwischendurch zwei Werbepausen samt dem einen oder anderen
Trailer für nachfolgende Sendungen.
Eine entsetzliche Vorstellung, die hoffentlich nie eintreten möge und
die es bereits im Ansatz zu ersticken gilt. Um den Suizid geht es.
Nicht um die Tatsache dass es das gibt, sondern um die
Öffentlichmachung ist erneut sowohl in Großbritannien als auch hier
der Streit entbrannt, nachdem am Mittwochabend im britischen
Fernsehen eine TV-Dokumentation über die Selbsttötung des 59-jährigen
Craig Ewert gezeigt worden ist. 45 Minuten lang war der Beitrag des
Oscar-gekrönten Dokumentarfilmers Regisseur Zaritsky.
Vor zehn Jahren schon hatte ein spanischer Privatsender eine 20
Minuten dauernde Selbsttötung gefilmt und in Ausschnitten
ausgestrahlt. Eine Debatte hatte 2003 auch ein Beitrag in der
renommierten ZDF-Reihe »37 Grad« ausgelöst. Darin wurde die Reise
einer unheilbar kranken Frau dokumentiert, die sich in der Schweiz im
Beisein eines Arztes das Leben genommen hatte. Der Moment des
Sterbens wurde damals aber nicht gezeigt.
Ist nun der Bann gebrochen? Der Fall Ewert hat heftige Reaktionen
hervorgerufen. Es wird kontrovers diskutiert. Und das ist gut so.
Zeigt es doch, wie empfindlich das Thema Sterben ist, wie belastet,
befrachtet gar - wenn es nicht einfach verdrängt wird.
Und die Darstellung im Fernsehen? Müssen wir uns daran gewöhnen? Noch
gibt es in Deutschland keine speziellen rechtlichen Regelungen über
begleitete Selbsttötungen. Der Rundfunkstaatsvertrag schreibt den
TV-Veranstaltern lediglich vor, in ihren Sendungen die Würde des
Menschen zu achten und zu schützen. Also bitte keine »verwerfliche
und voyeuristische Inszenierung«. Als solche hatte die Deutsche
Hospiz-Stiftung gestern die englischen Dokumentation bezeichnet.
Ebenso wenig darf eine Dokumentation, und nur um diese Darstellung
kann es gehen, zum Spielball von Interessen werden, beispielsweise
mit dem Hinweis »Sponsored by Dignitas«. Will man ein
Millionenpublikum erreichen, so ist das nur gerechtfertigt, wenn ein
Fernsehbeitrag so gemacht ist, dass er den existentiellen Fragen des
menschlichen Daseins ebenso präzise wie einfühlsam und mit aller
Würde nachspürt. Was übrigens für alle Bereiche des
gesellschaftlichen Lebens gelten sollte.
Verantwortliches Handeln ist gefragt, von allen. Das setzt die
Fähigkeit zur Reflexion und eine differenzierte Betrachtungsweise
voraus. Lamentieren und verdammen nützt nichts. Wir müssen uns
auseinandersetzen.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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