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Berliner Morgenpost: Zwei Warnschüsse Richtung Kanzleramt - Kommentar

Geschrieben am 29-12-2008

Berlin (ots) - Es ist immer wieder erstaunlich, welche
Diskussionen Politiker und Parteien anzetteln, um sich im Gespräch zu
halten. Das fällt besonders auf in der sogenannten Saure-Gurken-Zeit,
also in den Tagen und Wochen wie jetzt zur Jahreswende, in denen es
zumindest innenpolitisch in der Regel für die Medien nicht viel
Bedeutsames zu vermelden gibt. Jüngste Bestätigung dieser Beobachtung
liefert das über Nacht entfachte Für und Wider innerhalb der
Unionsparteien über die Sinnhaftigkeit einer Koalitionsaussage
zugunsten der FDP im Bundestagswahlkampf 2009.
Die entbrannte Debatte überrascht aus gleich zwei Gründen. Einerseits
ist sehr wahrscheinlich den meisten Wählern ohnehin klar, dass CDU
und CSU inhaltlich wie menschlich - wenn schon nicht allein - dann
doch am liebsten mit den Liberalen koalieren würden. Wie auf der
anderen Seite die SPD mit den Grünen. Und zweitens ist neun Monate
vor dem Wahltag wahrlich kein Zeitdruck zu erkennen.
Dass der Hesse Roland Koch angesichts des erneuten Urnengangs am
18.Januar in seinem Land auf die FDP setzt und diese auch mit
der Mahnung an die Bundes-CDU umgarnt, wieder frühzeitig ein
Koalitionsbekenntnis zugunsten der Liberalen abzulegen, ist nicht
verwunderlich. Das ist Teil des Landeswahlkampfs. Wenn dann aber auch
noch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, der seit
Jahren problemlos mit der FDP regiert, eine Wortmeldung mit
gleichlautender Aufforderung abgibt, ist die öffentliche Debatte da,
die offensichtlich gezielt inszeniert worden ist. Den Hintergrund
liefern Spekulationen, nach denen die Bundeskanzlerin und
CDU-Vorsitzende Angela Merkel Gedanken hegen soll, vor der
Bundestagswahl 2009 auf eine klare Koalitionsaussage zu verzichten.
Über Koalitionen entscheiden, das wissen die Deutschen spätestens
seit der Bundestagwahl 2005 und der Wahl in Hessen zu Beginn dieses
Jahres, nicht länger die mittlerweile fünf Parteien, sondern allein
die Wähler. Sie erzwangen im Bund die große Koalition, in Hessen
verhinderten sie Schwarz-Gelb wie Rot-Grün und brachen der SPD zudem
das politische Genick mit der Option, durch Widerruf eines
Wahlversprechens (nicht mit der Linkspartei) doch noch an die Macht
zu kommen.
Spätestens seit diesen Erfahrungen wird sich jede Partei vor
kategorischen Koalitionsaussagen hüten. Das sollte aber vor allem die
beiden noch etwas größeren Parteien nicht davon abhalten, dem Wähler
zu sagen, mit welchem Partner sie glauben, ihre Politik am
verlässlichsten durchsetzen zu können. Alles eigentlich eine
Selbstverständlichkeit. Oder etwa doch nicht? Liebäugelt Frau Merkel
etwa tatsächlich mit einer Neuauflage der großen Koalition, weil es
sich mit der - aus ihrer Sicht - bequemer regieren lässt? Kaum zu
glauben. Sollte daran auch nur ein Fünkchen Wahrheit sein, wären
Kochs und Wulffs Mahnungen mehr als Effekthaschereien in der
Saure-Gurken-Zeit zwischen den Jahren. Es wären gezielte Warnschüsse
vors Kanzleramt.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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