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Südwest Presse: Kommentar zum Tod von Adolf Merckle

Geschrieben am 12-01-2009

Ulm (ots) - Adolf Merckle ist zu Grabe getragen worden. Mit ihm
verliert seine Familie große Teile der Unternehmensgruppe, die er
aufgebaut hat. Viele Menschen können das tragische Ende des
Firmenpatriarchen nicht verstehen. Sie fragen sich: Warum nimmt ein
immer noch reicher Mann sich das Leben, obwohl die Rettung seiner
Unternehmen kurz bevorstand?
In der Tat haben die Unternehmen Ratiopharm, Heidelberg Cement,
Phoenix und Kässbohrer Geländefahrzeug eine Zukunft, weil sie an neue
Investoren verkauft werden. Dafür sorgen die Banken, die Zug um Zug
auf das Merckle-Firmenreich zugreifen werden, um ihre Forderungen
einzutreiben. Bei manchen Kreditinstituten war guter Wille
auszumachen, der Ulmer Unternehmerfamilie aus ihrer Finanznot zu
helfen. Andere Banken, ohne Regionalbewusstsein und selbst in großen
Schwierigkeiten, blieben reserviert und waren eher Ursache des
Problems als Teil der Lösung. Merckle bekam zu spüren, wie harsch die
Tonart der Banken wird, wenn Unternehmen mit zu wenig Eigenkapital in
Schwierigkeiten kommen. Dass dies auch einmal einem der führenden
deutschen Unternehmer, Adolf Merckle, passieren würde, hätte
allerdings niemand für möglich gehalten.
Doch mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA und dem Absturz
von Konjunktur und Börsen stellten sich viele Erfahrungen als wertlos
heraus. In der Finanzkrise verkehrte sich Merckles jahrzehntelange
Erfolgsstrategie der kreditfinanzierten Expansion ins Gegenteil.
Damit agierte er zwar in ähnlicher Weise wie die als Heuschrecken
betitelten Finanzinvestoren, aber im Gegensatz zu ihnen zerschlug er
nie ein Unternehmen, um die Rendite zu erhöhen.
Merckle war ein sozialer Arbeitgeber, beließ in seinen Firmen die
Gewinne, um sie für den Wettbewerb zu rüsten, und steigerte ihren
Wert - bis zur Finanzkrise.
Nun rächte sich, dass Adolf Merckle sein Firmengebilde wie ein
Steuersparmodell optimiert hatte. Dem Geflecht aus mehr als 100
Firmen fehlt es an Übersichtlichkeit und an einer klaren
Führungsstruktur. Die im März 2008 angekündigte Neuausrichtung der
Gruppe unter einer Dachgesellschaft stand nur auf dem Papier. Zudem
pflegten Adolf Merckle und sein enger Vertrauter Bernd Scheifele
einen personengebundenen Führungsstil. Doch dafür war das
Firmenkonglomerat zu groß geworden. In welche Schieflage es durch die
teure Übernahme des britischen Baustoffkonzerns Hanson durch
Heidelcement wirklich gekommen war, wollte die Familie lange Zeit
nicht wahrhaben. Als der 74-Jährige, der sich in hohem Maße mit
seinem unternehmerischen Schaffen identifizierte, erkannte, dass sein
Lebenswerk von den Banken zerschlagen wird und er dabei ohnmächtig
zuschauen muss, empfand er dies wohl als persönliches Scheitern, und
sah daher in seinem Leben keinen Sinn mehr.
In dieser Tragödie gaben viele Medien ein schlechtes Bild ab. So sehr
sie Merckle in all den Jahren zuvor gewürdigt hatten, so sehr
weideten sich nun viele an seinem Niedergang, entwarfen ein Zerrbild
seiner Persönlichkeit, übergossen den gefallenen Milliardär mit Häme
und Schadenfreude. Dabei zeigte sich, welch gespaltenes Verhältnis
unsere Gesellschaft zu erfolgreichen Unternehmern hat.
Weitgehend verdrängt wird dabei eines: Wirtschaftlicher Erfolg und
Wohlstand sind eng damit verbunden, dass Unternehmer Risiken
eingehen. Das birgt aber auch die Gefahr des Scheiterns in sich. In
den USA bekommen solche Menschen eine zweite Chance, weil man ihnen
zugesteht, aus Fehlern zu lernen. In Deutschland ist das leider nicht
der Fall. Hier muss sich nicht der Vorsichtige rechtfertigen, der
nichts unternimmt, sondern der Mutige, der scheitert.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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