Westdeutsche Zeitung: Mordfall Kardelen = von Peter Kurz
Geschrieben am 05-02-2009 |
Düsseldorf (ots) - Die türkischen Behörden wollen den mutmaßlichen Mörder von Kardelen nicht ausliefern - wenn sie ihn zu fassen bekommen. Was nicht fernliegt, denn der Tatverdächtige Ali Kur, der Nachbar des in Paderborn getöteten Mädchens, hat sich wohl in die Türkei abgesetzt. Aber darf das sein? Es geht doch um eine auf deutschem Boden verübte Tat. Die muss doch von unseren Gerichten und nach unserem Strafrecht gesühnt werden. Nur auf den ersten Blick erscheint dieses Argument zwingend. Denn wir würden wohl genauso verfahren wie die Türkei, wenn sich ein Fall mit umgekehrten Vorzeichen abspielte: Ein Deutscher steht unter Verdacht, in der Türkei einen Mord begangen zu haben, ihm gelingt die Flucht nach Deutschland. Bäte dann die türkische Justiz um Auslieferung, würden wir auf Artikel 16 des Grundgesetzes verweisen: "Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden." Gewiss, dieser Artikel erlaubt seit ein paar Jahren in Ausnahmefällen doch die Auslieferung Deutscher ins EU-Ausland, wenn sie per EU-Haftbefehl gesucht werden. Aber die Türkei ist nun mal nicht in der EU. Warum soll da das Land, dessen Werben um eine Mitgliedschaft immer wieder verschmäht wurde, irgendwelche Verpflichtungen anerkennen? In Sachen internationaler Strafrechtsbeziehungen dürften die Türken ohnehin nicht so gut auf die Deutschen zu sprechen sein. Zu frisch sind die Erinnerungen an den Fall Marco. An den jungen Deutschen, gegen den in Antalya immer noch ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs läuft. In Abwesenheit, denn der Angeklagte hat seine Ankündigung, sich nach seiner Haftverschonung dem Verfahren zu stellen, nicht eingehalten. Im Gegenteil: Sein Buch über von ihm erlebte katastrophale Haftbedingungen in der Türkei heizte die Stimmung weiter an. Sollte Ali Kur in der Türkei der Prozess gemacht werden, müssen die Ermittler über Grenzen hinweg kooperieren. Die türkische Justiz wird auf die Ermittlungsergebnisse deutscher Strafverfolger angewiesen sein. Ein hartes Urteil für die abscheuliche Tat muss gesprochen und vollstreckt werden. Egal, ob bei uns oder in der Türkei. Apropos Vollstreckung in der Türkei: Vielleicht wird Ali Kur am Ende noch bedauern, sich in sein Heimatland abgesetzt zu haben.
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