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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:

Geschrieben am 16-02-2009

Bielefeld (ots) - »Anstand« ist ein antiquiertes Wort. Es kann mit
»Schicklichkeit« oder »der guten Sitte entsprechendes Benehmen«
umschrieben werden. Das macht es zwar auch nicht schicker, aber in
der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung wünscht man sich doch
sein schnelles Comeback. Auch im Sport, in dem die Gier wie in der
Hochfinanz die Gehirne vernebelt und die Sicht auf die Realität
verstellt hat.
Teamausstiege und Einsparkurs in der Formel 1, Aussteiger in der
Rallye-WM und der Rallye Dakar, stark reduziertes Feld im
Hochgeschwindigkeitszirkus Nascar, eine durch Insolvenzen
vorweggenommene Abstiegsentscheidung in der Handballbundesliga,
Dopingfälle anscheinend ohne Ende: Pleiten, Pech und Pannen bestimmen
derzeit die Meldungen über die eigentlich schönsten Nebensachen der
Welt. Nun ist es das Vorrecht älterer Menschen, auf die gute, alte
Zeit hinzuweisen, die ja meist vor allem alt und nie nur gut war. Das
Streben nach Millionen, nach Milliarden hat aber doch beängstigende
Ausmaße angenommen.
Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, wird nicht nur medial für
sein Jahresgehalt von mehr als zehn Millionen Euro abgewatscht. Die
Irrsinnssummen, die im Sport gezahlt werden, erfahren deutlich
weniger Widerspruch. Michael Schumacher verdiente im Kreisverkehr
schon über 500 Millionen Euro, Tiger Woods wird die Milliarden-Marke
(in Dollar) knacken, weil er einen weißen Ball mit weniger Schlägen
als andere in kleine Löcher bugsieren kann. Fußballer verdienen in
Serie mehr als zehn Millionen Euro jährlich. Die Liste ließe sich
beliebig fortsetzen. Doch das finanzielle Gebilde Sport ist fragil.
Nicht alles was geht, ist gut oder gar auf Dauer haltbar, geschweige
denn anständig.
So ist das Gejammer des Handball-Primus THW Kiel über die Rhein
Neckar-Löwen, das Gezeter der Fußballbundesliga über die TSG
Hoffenheim, die Kritik des Sportrechte-Großhändlers Günter Netzer an
den »englischen Verhältnissen« höchst unanständig. Denn auch sie
haben auf ihren Gebieten jene Lawine losgetreten, die derzeit droht,
große Teile des Bewegungsgeschäftes unter sich zu begraben.
In den guten, alten Zeiten finanzierte sich der Sport hauptsächlich
durch Zuschauereinnahmen. Dann kamen die TV- und Sponsorengelder
dazu, die irgendwann das Übergewicht in den Budgets bekamen. Folge:
Der Fan wurde fast zum ungebetenen Gast, aber sogar
Zuschauerrückgänge konnten durch Einnahmesteigerungen in anderen
Bereichen kompensiert werden. Doch diese Spirale lässt sich nicht
unendlich drehen. Das zeigt sich nicht erst im Jahr 2009.
Da ist es doch bemerkenswert, wenn ein Mann wie der
Handballnationalspieler Holger Glandorf seinem finanziell
angeschlagenen Verein bis zum Ende die Treue hält und seinen
Vereinswechsel nach Lemgo als letzten Dienst an Nordhorn versteht.
Natürlich wird er beim TBV auch gut verdienen. Aber dennoch: Dieses
Verhalten war vorbildlich und außerdem höchst anständig.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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