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Neue Westfälische: Die Kirche und die Krise

Geschrieben am 06-03-2009

Bielefeld (ots) - Selbstbezogen
CARSTEN HEIL
Die katholische Bischofskonferenz ist eine Versammlung von Männern,
die oft völlig unterschiedlicher Meinung sind. Ein weit verbreitetes
Missverständnis in der Öffentlichkeit ist die Annahme, der Episkopat
stimme in allen Fragen überein. Deshalb werden provozierende
Äußerungen von Walter Mixa oder Joachim Meisner oft zu Unrecht auf
die ganze Kirche, womöglich auf alle Katholiken übertragen. Vor ihrer
jüngsten Frühjahrsvollversammlung diskutierten die Bischöfe
öffentlich sehr kontrovers über den Umgang ihrer Kirche mit den
extrem konservativen Pius-Brüdern und den Holocaust-Leugner Richard
Williamson.
Diese dissonante Debatte war allerdings doch etwas Besonderes und
Ungewohntes, denn im Hintergrund ging es um die Rolle und Autorität
des deutschen Papstes. Es ist Benedikt VXI., der, von einer
überwiegend deutlich konservativen Kurie in Rom beraten, die
irrlichternden Pius-Brüder in die Gemeinschaft der Katholischen
Kirche zurückholen will. Er trägt damit die Verantwortung für den
Ansehensverlust seiner Kirche in der Öffentlichkeit.
Je schärfer die Bischofskonferenz nun den Fehler Roms gegeißelt
hätte, desto herber wäre das als Kritik am Papst verstanden worden.
Folglich gab's lediglich ein bisschen Kritik. Schuld an der
verfahrenen Lage seien die Pius-Brüder, Benedikt könne nichts dafür,
aber die Kommunikation im Vatikan müsse verbessert werden. Mehr war
nicht drin.
Manch Liberaler in der Katholischen Kirche, außerhalb sowieso, hatte
sich deutlichere Worte gewünscht. Sogar der Vorsitzende der
Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hatte sich zu Beginn der Tagung
deutlich schärfer geäußert. Der bislang blasse Erzbischof im Amt des
Vorsitzenden hat sich in Hamburg dennoch Profil verschafft, indem er
zwar eigene Positionen bezogen, aber gleichzeitig für einen
Kompromiss gesorgt hat.
Leider bei einem für die Gesellschaft nebensächlichen Problem. Denn
das Bittere an der Debatte um die Pius-Brüder ist, dass die Kirche
sich derzeit nur mit sich selbst beschäftigt. Dabei ist ihre Stimme
in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise gefragt. Zollitsch ist
es trotz seiner Versuche nicht gelungen, seiner Kirche in dieser viel
wichtigeren Frage Gehör zu verschaffen. Im Eröffnungsgottesdienst hat
der Freiburger Erzbischof noch Worte zu christlichem Verhalten in der
Wirtschaft gefunden. Dann wurde es still dazu.
Wenn die gegenwärtige Krise aber so tiefgreifend ist, dass sie zum
Umdenken zwingt, sind vom christlichen Glauben motivierte, soziale
Mahnungen genauso wichtig wie die Meinungen von Wissenschaftlern,
Philosophen, Ethikern, Handwerkern und anderen. Die Bühne darf nicht
länger nur Wirtschafts-und Finanzexperten überlassen werden, die das
Debakel angerichtet haben.
Ein kirchliches Sozialwort wie 1996 wäre zwar enorm wichtig, ist
derzeit aber nicht zu erwarten. Wenn die Kirche sich in ernster Lage
weiter nur mit sich selbst und ein paar unbedeutenden Wirrköpfen in
den eigenen Reihen beschäftigt, verliert sie nicht nur an Ansehen,
sondern an Glaubwürdigkeit.

Originaltext: Neue Westfälische
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2

Pressekontakt:
Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de


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