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Berliner Morgenpost: Pankow, der Fall Tauss und die Grenzen der Freiheit - Kommentar

Geschrieben am 06-03-2009

Berlin (ots) - Das Internet, kein Zweifel, ist die Errungenschaft
des Informationszeitalters, ein universelles Werkzeug, geeignet, in
kürzester Zeit Kleines groß, Unbekanntes bekannt, Nützliches unnütz,
viel Geld, aber auch Rentables unrentabel zu machen. Der Hebel des
Web ist wirkungsmächtig wie kein Zweiter, im Guten wie im Schlechten.
Das muss wissen, wer ihn nutzt. Folgenlos, gesichert folgenlos bleibt
in dieser informationellen Unendlichkeit nichts.
Ein weiterer Vorteil des Internets ist, dass man es fast überall
nutzen kann. Zum Beispiel im Pankower Rathaus, wo findige Mitarbeiter
eine Liste mit den Namen schwarzer Schafe online stellten, deren
gastronomische Betriebe den staatlichen Lebensmittelkontrolleuren
negativ aufgefallen waren. Das sorgt für Transparenz, dient der
Hygiene, nutzt den sauberen, zumindest nicht auffällig gewordenen,
vielleicht auch nur nicht kontrollierten Gaststätten, prima. Sagen
die einen. Die anderen sprechen von Ruin, purer Willkür, von Rufmord.
Beides kann richtig sein, und deshalb haben die Verantwortlichen
jenseits Pankows gestern klug gehandelt, indem sie sich für eine
sorgfältige Prüfung von Für und Wider des Internet-Prangers
entschieden haben.
Ein zweiter Fall, auch er nimmt seinen Anfang im Internet: Dort
drohte in dieser Woche ein Berliner Jugendlicher in einem Chatroom,
offene Rechnungen mit seinem Mitschülern begleichen zu wollen. Er mag
das im Scherz gesagt haben, in pubertärer Wut, aus Dummheit. Einen
Tag später durchsucht die Mordkommission sein Kinderzimmer. Internet
live. Kleine Dummheit, großes Aufgebot. Aber die Möglichkeit, dass
der Polizist X, der diesen Einsatz anordnete, sehr Schlimmes
verhindert hätte, die bestand ja. Theoretisch. Praktisch? Man weiß es
nicht.
Das Internet, auch keine Frage, ist das neue Land der unbegrenzten
Möglichkeiten. Wild, frei, grenzenlos. Dass wir, wie im realen Leben,
auch im World Wide Web eine ganze Zeit brauchen werden, um uns darin
frei, aber doch so zu bewegen, dass nicht gleichzeitig andere in
ihrer Freiheit beeinträchtigt werden, das ahnen wir erst. Auch welche
riesigen Werte dort konsumiert, benutzt, vernichtet werden können.
Einfach so. Anonym. Ohne Gegenleistung. Ohne Verantwortung zu
übernehmen. Von dem unsäglichen Schindluder, das man mit dem Netz
treiben kann, mal ganz abgesehen. Der Fall Tauss beleuchtet diesen
Sumpf gerade wieder, für einen Moment.
Wir, freiheitsliebend und paragrafenfrustriert, wie wir sind, stehen
erst am Anfang eines Prozesses, an dessen Ende die Erkenntnis steht,
dass auch eine virtuelle Welt sehr klare Regeln braucht. Die dafür
nötige Debatte beginnt, national wie international, beim Sperren von
Seiten mit kinderpornografischem Inhalt, einer puren
Selbstverständlichkeit im Übrigen. Sie führt über Fragen der
Persönlichkeitsrechte, des Rechts auf geistiges Eigentum und endet
natürlich nicht bei den bevorstehenden juristischen
Auseinandersetzungen über die Funktion des Internets als öffentlichem
Pranger. Es ist ein sehr weites Feld, unüberschaubar, aber nicht zu
ignorieren.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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