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Neue Westfälische: KOMMENTAR EU zu Weltfinanzreform Abschied vom Casino DETLEF FECHTNER, BRÜSSEL

Geschrieben am 20-03-2009

Bielefeld (ots) - Europas Regierungschefs und Staatsoberhäupter
wollen den "Wildwuchs" im weltweiten Finanzsystem zähmen. Und dafür
sorgen, dass sich die aktuelle Krise nie wiederholt.
Das sind gute Vorsätze. Aber es gibt erhebliche Zweifel, ob das
Vorhaben gelingt. Und ob es die Regierungen überhaupt ernst meinen.
Immerhin versprechen Politiker seit Ewigkeiten, dass sie die
Spekulation zügeln, die Gier bändigen, die Risiken begrenzen. Und
trotzdem ist die Geschichte der Kapitalmärkte eine Reihung von
Übertreibungen und Krisen - von den Staatsbankrotten des 19.
Jahrhunderts bis zum Subprime-Beben der vergangenen Monate.
Die Frage drängt sich auf: Ist es nicht letztlich so, dass die
Regierungen die Spielhöllen des Kapitalismus lediglich vorübergehend
schließen, nachdem die Bank gesprengt wurde und die Zocker ohnehin
pausieren müssen? Um die Kasinos wenig später in renovierter Form
wieder zu eröffnen - in der vagen Hoffnung, dass dieses Mal alles
gutgeht.
Die Antwort lautet: nein. Zumindest in der aktuellen Krise wäre es
ungerechtfertigt, den Regierungen vorzuhalten, sie würden alles beim
Alten lassen. Das Maßnahmenpaket, für das sich die Staaten der
Europäisachen Union gemeinsam stark machen, ist viel mehr als nur
kosmetische Korrektur.
Natürlich will die EU auch künftig zulassen, dass Banken und
Investoren Risiken eingehen. Das ist schließlich ihre ureigenste
Aufgabe - ansonsten bräuchte sie ja niemand. Die von der EU
vorgeschlagenen Regeln können jedoch die Gefahr minimieren, dass sich
einzelne Risiken - absichtsvoll oder fahrlässig - zu "systemischen"
Problemen auswachsen, weil in der Gier nach dem schnellen Euro alle
den Überblick verlieren: die Banker selbst und die Behörden, die sie
kontrollieren sollen. Weil die Regeln endlich Managerboni für plumpe
Waghalsigkeit ebenso verbieten wie dubiose Tochterfirmen außerhalb
der Bilanz oder Ratingagenturen, die ihren Kunden Tricks verkaufen,
wie sie sich eine Bestnote erschleichen können.
Die geplanten Regeln sind also sinnvoll und wirkungsvoll zugleich.
Allerdings werden sie nicht ausreichen. Erstens weil sie im Verlauf
der Verhandlungen mit Amerikanern, Chinesen und anderen wohl leider
verwässert und gestutzt werden.
Und zweitens weil sie nicht einmal dann genügten, wenn sie von allen
Gipfeln und Ministertreffen gebilligt würden. Denn viel zu schwach
ausgeprägt ist der Wille, die langfristige Kapitalanlage, die der
Wirtschaft dient, gegenüber der kurzfristigen Spekulation zu stärken,
die Unternehmen zu bloßen Investmentobjekten degradiert - an der aber
Broker und Banker verdienen.
Europas Regierungschefs ist deshalb nach dem Gipfel in Brüssel nicht
vorzuwerfen, dass sie in die falsche Richtung marschieren. Sondern
nur, dass sie nicht weit genug gehen.  

Originaltext: Neue Westfälische
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2

Pressekontakt:
Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de


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