Lausitzer Rundschau: Demjanjuks Auslieferung in letzter Minute verschoben Späte, notwendige Justiz
Geschrieben am 15-04-2009 |
Cottbus (ots) - Der Fall des Ivan Demjanjuk, der sich nach seiner Einwanderung in den USA den Vornamen John zulegte, gehört nicht in die Reihe der großen Verbrecher der Nazi-Zeit. Er war laut der Anklage einer von den Handlangern in den Todeskommandos des Völkermords. Viele, die solche Schuld auf sich geladen haben, sind in den Jahrzehnten seit Kriegsende unbehelligt verstorben, und so mancher lebt heute noch unerkannt unter uns. Erst spät hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Morde an den europäischen Juden einer umfassenden strafrechtlichen Aufarbeitung bedürfen. Noch zwanzig, dreißig Jahre nach Kriegsende im Jahr 1945 wurde den meisten Tätern ihre untergeordnete Stellung zugute gehalten, bis dann die Wissenschaft ein klareres Bild vom Ablauf der Verbrechen und der Verantwortung aller Beteiligter zeichnen konnte. Und die USA haben fast dreißig Jahre gebraucht, bis sie endlich begannen, ihre Nachkriegseinwanderer zu überprüfen. Demjanjuk hat zunächst von solchen Zögerlichkeiten profitiert. Ein erstes Verfahren in Israel endete nach sechs Jahren Haft mit der Aufhebung seines Todesurteils, weil ihm Taten zugeordnet waren, die ein anderer begangen hatte. Dem folgte dort eine erregte öffentliche Debatte, zumal mittlerweile schon die neuen Vorwürfe bekannt geworden waren, nach denen er sehr wohl an Mordtaten beteiligt war. Aber das Oberste Gericht entschied, dass er nur für solche verurteilt hätte werden könne, die zu seiner Auslieferung aus den USA geführt hatten, und schickte ihn zurück. Andere mussten handeln. Was jetzt nach Meinung der deutschen Ankläger feststeht, ist Demjanjuks Beteiligung am dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte, dem grausamen Geschehen in dem Vernichtungslager Sobibor. Tausende, die dort vor mehr als sechzig Jahren ankamen und in Stundenfrist starben, waren Kinder, jünger als jener Demjanjuk, der heute 89 Jahre alt ist. Überlebende von Sobibor und Angehörige der Opfer sehen in dem deutschen Vorgehen gegen den Mann aus dem US-Bundesstaat Ohio die letzte Chance dafür, dass die Gerechtigkeit siegt. Der Fall Demjanjuk zeugt auch von dem Vertrauen in ein anderes Deutschland, das sich seiner geschichtlichen Verantwortung stellt. Es wäre gut, wenn er bald in München landet. Seite 6
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