Berliner Morgenpost: Innenpolitik Die Berliner Morgepost zum SPD-Wahlprogramm
Geschrieben am 19-04-2009 |
Berlin (ots) - Mit ihrem gestrigen Show-Start im Berliner Tempodrom, inszeniert mit ungewohnt dezenter Pomplosigkeit, haben die Sozialdemokraten die Kunst der situativen Programmatik perfektioniert. Vor zehn Jahren, im Juni 1999, veröffentlichten der sozialdemokratische Kanzler Gerhard Schröder und sein britischer Kollege Tony Blair ein Papier, das nach ihnen benannt war. Die Botschaft: Rechts und links gibt es nicht mehr, die Gesellschaft knubbelt sich im Zentrum, Wähler sind vor allem in der "Neuen Mitte" zu gewinnen, bei Menschen, die nicht mehr in der Industrie arbeiten, sondern mit dem Computer. Auf dem dritten Weg sollten SPD und Ökonomie versöhnt werden; dazu gehörten nach dem Willen des damaligen Kanzleramtschefs Bodo Hombach ein Niedriglohnsektor, wenig Gewerkschaft und noch weniger Staat. Der Rotwein-und-Zigarren-Block strebte weg von der Kernklientel, dem kleinen Malocher. Das SPD-Wahlprogramm 2009 bedeutet eine Kehrtwende. Offenbar empfindet die Partei den dritten Weg als Sackgasse und die Theorie vom Ende der Links-rechts-Pole als Illusion. Mindestlohn, Mitbestimmung, starker Staat - die SPD kehrt zurück auf den vorschröderschen Kurs. Vor einem Jahr noch galten solche Positionen, wie sie zum Beispiel das hessische Irrlicht Ypsilanti vertrat, als indiskutabel. Vergessen, dass Rot-Grün einen Teil jener Regeln beschloss, die die Finanzmärkte jedenfalls nicht zähmten, sondern eher entfesselten, dass Sozialdemokraten in Kontrollgremien von Banken und Unternehmen saßen, deren Gebaren sie heute zum Teufel wünschen. Dass die SPD so rasch zu jenen Wurzeln zurückkehren kann, die sie fast aufgegeben hatte, verdankt sie einer Krise, die Angst und Systemskepsis bis weit in die Mitte der Gesellschaft getragen hat. Das Gefühl, "die da oben" haben sich aus der gesellschaftlichen Loyalität verabschiedet, hat auch die bürgerliche Mitte erfasst. Diesen Mainstream haben sich die Sozialdemokraten mit einiger Geschmeidigkeit zur Beute gemacht. Der gute alte Lagerwahlkampf ist somit eröffnet. Die SPD-Strategen haben erkannt, dass das Ziel bis zur Bundestagswahl nicht unbedingt darin besteht, Wähler von der anderen Seite zu gewinnen, sondern das eigene, zuletzt schwer frustrierte Klientel aus der Schmollecke oder von der Linkspartei zurückzugewinnen. Offenbar gilt das Dogma nicht mehr, dass jede Stimme am linken Rand zwei Stimmen in der Mitte kostet. Inzwischen dürfte es umgekehrt sein. Bleibt die Frage, ob die Rundum-großzügig-Versprechen sehr viel länger halten als bis zur Wahl. Zu situativer Programmatik gehört der rasche, radikale Kurswechsel. Und quietschen Haushalt und Sozialsysteme in den kommenden Jahren wieder wie vor fünf Jahren, werden die Schenker von heute ihr Programm erneut ändern müssen. Es gilt: Auf Jahre ungezügelter Ausgaben folgen HartzV bis VIII.
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