Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Gendiagnostik-Gesetz:
Geschrieben am 30-04-2009 |
Bielefeld (ots) - »Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los«, ließ Goethe seinen Zauberlehrling klagen. Ebenso unbeherrschbar erscheint mitunter die Gentechnik. Sie ängstigt viele Menschen, wenn sie zum Einsatz kommt, um die Eigenschaften von Pflanzen zu verändern. Durchaus willkommen sind dagegen gendiagnostische Methoden, wenn mit ihrer Hilfe Kinderschänder gefasst und schwere Krankheiten frühzeitig erkannt werden. Das Potential der humangenetischen Forschung ist riesig. Zu wissen, ob, mit welcher Wahrscheinlichkeit und wann wir an einer Krankheit leiden werden, kann dank vorbeugender Therapie Leben retten - oder eben auch großen Schaden anrichten, wenn die Information darüber in die falschen Hände gerät. Dass die Sorge des Missbrauchs nicht unberechtigt ist, haben nicht zuletzt die Datenskandale bei Daimler, Müller und Co. gezeigt. Das soeben verabschiedete Gendiagnostik-Gesetz wird darum von Humangenetikern in Deutschland begrüßt. Dabei regelt es eigentlich nur das Notwendigste: Selbstverständlichkeiten wie den Schutz vor Diskriminierung, den Schutz vor Zugriff von Arbeitgebern und Versicherern auf unsere Erbinformationen, den Schutz der eigenen Autonomie und auch das Recht auf Nichtwissen. Niemand darf genetische Daten als Voraussetzung für das Zustandekommen eines Arbeits- oder Versicherungsvertrages einfordern, niemand muss sich einer genetischen Untersuchung unterziehen. Es ist ein Mindestmaß an Regelungen, die durch dieses Gesetz festgelegt werden. Und sie werden faktisch schon von der Realität eingeholt. Die Geister sind längst da: Genetische Untersuchungsmethoden wie die Präimplantationsdiagnostik (Untersuchung von im Reagenzglas gezeugten Embryos vor dem Einsetzen in die Gebärmutter) sind in Deutschland verboten. Im benachbarten Ausland nicht. Und die Möglichkeiten, die diese Diagnostik bietet, lassen Begehrlichkeiten aufkommen: Darf's ein gesundes Kind sein? Ein schönes und starkes? Mädchen oder Junge? Oder eines, das mit Knochenmark oder Stammzellen einem kranken Geschwisterkind das Leben rettet? In einigen Mitgliedsstaaten der EU ist eine solche Auslese erlaubt und Grund für einen regelrechten Reproduktionstourismus deutscher Frauen vor allem nach Belgien. Deutschland ist keine Insel. Auch wenn das Gendiagnostik-Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung ist: Es wird die weltweiten Fortschritte in der Gentechnik nicht aufhalten. Und das soll es auch nicht. Die schöne, neue Genwelt ist unsere Zukunft. Es kann eine gute Zukunft sein, wenn wir mit Hilfe der gentechnischen Forschung die Risiken ausloten, die Chancen und Möglichkeiten nutzen und die Gefahren beherrschbar halten. Goethe hatte die Antwort: »In die Ecke, Besen, Besen! Seids gewesen. Denn als Geister ruft euch nur zu diesem Zwecke, erst hervor der alte Meister.«
Originaltext: Westfalen-Blatt Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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