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Berliner Morgenpost: Die Opfer müssen Gerechtigkeit erfahren - Kommentar

Geschrieben am 12-05-2009

Berlin (ots) - Das lange juristische Hin und Her ist beendet: John
Demjanjuk, 89 Jahre alt, ist gestern Morgen in München eingetroffen
und sitzt nun in Untersuchungshaft der Justizvollzugsanstalt München
- in der Krankenabteilung. Die amerikanischen Justizbehörden hatten
in den Wochen zuvor die vielfältigen Versuche von Demjanjuks Anwalt
und Familie zurückgewiesen, die Abschiebung nach Deutschland zu
verhindern. Nun kann dem mutmaßlichen KZ-Aufseher in München der
Prozess gemacht werden, vorausgesetzt, die Gutachter bestätigen
dessen Verhandlungsfähigkeit.
Der Fall Demjanjuk ist ein schwieriger. Da ist zum einen die Frage zu
klären, ob der Mann wirklich jener Iwan Demjanjuk ist, ein gebürtiger
Ukrainer, der im KZ Sobibor von März bis September 1943 als Wärter
gearbeitet hat und für die Ermordung von 29000 Juden
mitverantwortlich ist. Schon einmal wurde Demjanjuk für einen
menschenverachtenden Nazi und KZ-Aufseher gehalten - und war es dann
doch nicht. Im Jahr 1986 war Demjanjuk von den USA nach Israel
ausgeliefert worden, wo er beschuldigt wurde, "Iwan der Schreckliche"
zu sein, jener Aufseher, der im KZ Treblinka die Menschen auf
furchtbare Art gequält und in die Gaskammern getrieben hatte.
Demjanjuk wurde 1988 in Israel zum Tode verurteilt. Doch dann
tauchten in der damaligen Sowjetunion neue Dokumente auf, es fanden
sich Zeugen, die erklärten, dass Demjanjuk nicht jener "Iwan der
Schreckliche" gewesen sein könne. 1993 wurde das Urteil aufgehoben -
mit der Begründung, dass die Identität nicht zweifelsfrei
festgestellt werden konnte. Demjanjuk kehrte in die USA zurück.
Die Münchner Staatsanwaltschaft stützt sich nun auf neue Beweise -
vor allem auf seinen SS-Dienstausweis. Nach Ansicht der Experten ist
das Dokument mit seinem Namen echt und belegt, dass er im Jahr 1943
als Aufseher im KZ Sobibor mitgeholfen hat, 29000 Juden zu
ermorden. Demjanjuk bestreitet auch das - er will nur als
landwirtschaftlicher Arbeiter und Kriegsgefangener in Sobibor gewesen
sein. Doch die Last dieses neuen Beweises ist schon erdrückend.
Schwierig ist der Fall auch, weil Demjanjuk inzwischen 89 Jahre alt
ist. Seine Familie spricht sogar von Folter, weil Demjanjuk schwer
krank sei und dennoch abgeschoben wurde. Diese Wortwahl allerdings
ist unverschämt, und selbstverständlich ist es richtig, dass der Fall
in Deutschland angeklagt und verhandelt wird. Der Holocaust war ein
ungeheueres, ein singuläres Verbrechen, und Mord verjährt nicht. Die
Täter - egal welchen Alters - müssen für diese ihre Taten verstraft
werden. Und es geht, da hat die Präsidentin des Zentralrats der Juden
in Deutschland völlig recht, nicht um Rache, sondern um
Gerechtigkeit. Sollte die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe
zweifelsfrei belegen können, dann muss Demjanjuk schuldig gesprochen
und bestraft werden. Denn auch deshalb ist dieser Prozess so wichtig:
Alle noch lebenden NS-Kriegsverbrecher müssen wissen, dass sie für
ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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