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Berliner Morgenpost: Berliner Morgenpost über die Wechselgelüste von Berliner Parlamentariern

Geschrieben am 13-05-2009

Berlin (ots) - Nun kann sich der Regierende Bürgermeister Klaus
Wowereit wieder selbstzufrieden zurücklehnen. Vorbei - soweit man das
angesichts der offenkundigen Wechselstimmung unter Berlins
Parlamentariern prognostizieren kann - das Bangen um die
parlamentarische Mehrheit für die Politik des rot-roten Senats. Was
Wowereit und die Seinen erleichtert, lässt viele Berliner an
Seriosität und Ernsthaftigkeit der von ihnen gewählten Parlamentarier
zweifeln. Die Springprozession über Parteigräben hinweg schürt, was
die Parteien eigentlich fürchten müssten: Parteien- und schlimmer
noch Politikverdrossenheit.
Nun ist ja nicht ausgeschlossen, dass eine Abgeordnete oder ein
Abgeordneter mit seiner Partei während einer Legislaturperiode
bricht, weil er eine zentrale Entscheidung aus Gewissengründen nicht
mittragen kann. Auch nach der Berliner Landesverfassung sind
Abgeordnete allein ihrem Gewissen verpflichtet. Nach allem, was
bislang über die Motive der beiden wechselbereiten Damen bekannt
geworden ist, hat allenfalls die grün gewordene ehemalige
Sozialdemokratin Canan Bayram halbwegs nachvollziehbare Gründe
verkündet. Mehr als eine Retourkutsche nach der Devise beleidigte
Leberwurst erscheint dagegen der Übertritt von Bilkay Öney zur SPD.
Und jetzt, da die rot-rote Mehrheit wieder sichere Größe erreicht
hat, besinnt sich auch Carl Wechselberg definitiv seines
Polit-Gewissens. Er verlässt die Linkspartei, bleibt als Parteiloser
aber der Fraktion erhalten, weil er ja nur mit der Bundespartei und
nicht mit der Landespartei, schon gar nicht mit Rot-Rot über Kreuz
liegt. Verstehe das alles, wer wolle - rational nachvollziehbar,
geschweige denn überzeugend ist das alles nicht. Hat gar das eine
oder andere Versprechen für die persönliche Zukunft den letzten
Anstoß zum Sprung gegeben?
SPD und Grüne liegen auch in Berlin nicht so weit auseinander, dass
der Wechsel von den einen zu den anderen einem revolutionär
anmutenden Gesinnungswandel gleichkäme. Dennoch müssen sich Wähler
darauf verlassen können, dass die Abgeordneten, für die sie oder für
deren Partei sie gestimmt haben, zu dem stehen, was sie vor der Wahl
erklärt haben. Parlamentsmandate sind keine beliebigen Tauschobjekte.
Sie sind Verpflichtung. Von ihr wird ein Abgeordneter glaubwürdig
allein in extremen Handlungslagen (die Koalitionsfrage in Hessen war
eine) entbunden. Davon kann in Berlin keine Rede sein. Dass gleich
auch noch die Glaubwürdigkeit des Berliner Parlaments insgesamt
gelitten hat, steht außer Frage.
Auch wenn ihre Mehrheit wieder eine gesicherte und die neue Spannung
in der Berliner Politik schon wieder raus ist, sollte es sich die
SPD-Führung beim Parteitag am Sonntag nicht gleich wieder zu bequem
machen. Canan Bayram hat Gründe (Arroganz der Mächtigen,
Benachteiligung von Frauen) für ihren Parteiwechsel benannt, die sie
nicht allein geplagt haben. Es rumort in der Partei. Vor weiteren
Überraschungen schützen sich Wowereit und Parteichef Michael Müller
am besten dadurch, dass sie Kritik aus den mittleren und unteren
Rängen nicht einfach länger abtropfen lassen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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