Westfalenpost: Weiter mit Köhler - das könnte passen Aber Gesine Schwan hat eine Chance
Geschrieben am 22-05-2009 |
Hagen (ots) - Von Bodo Zapp
Köhler oder Schwan - diese Entscheidung hatten die 1224 Mitglieder der Bundesversammlung schon vor fünf Jahren zu treffen. Doch heute ist die Ausgangsposition eine andere. Er ist der Bundespräsident, dem in seiner Amtszeit keine gravierenden Fehler unterliefen, der sich trotzdem seiner Wiederwahl nicht sicher sein kann. Sie ist die Herausforderin, durchaus nicht chancenlos. Warum aber ein Bundespräsident abgewählt werden sollte, dessen zweite Amtszeit nach Umfragen von der großen Mehrheit der Deutschen gewünscht wird, ist schwer zu verstehen. Liegt es daran, dass Horst Köhler im politischen Berlin und auch in "seiner" Union nie so richtig als Schwergewicht anerkannt wurde? Liegt es an taktischen Macht-Überlegungen in der SPD, die sich mit einem Wechsel im höchsten Amt des Staates ein Signal für die Bundestagswahl erhofft? Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte und ist kompliziert. Über Nacht ins Spiel Erst drei unserer bisherigen Bundespräsidenten traten zur Wiederwahl an (Heuss, Lübke und von Weizsäcker), keiner hatte einen Gegenkandidaten. Nach Köhlers Ja zu einer zweiten Amtszeit stand seine Nominierung für Union und FDP außer Frage. Auch von der Spitze der SPD gab es zustimmende Signale. Doch quasi über Nacht kam Gesine Schwan ins Spiel . Ob sie sich weitgehend selbst empfohlen hat oder "berufen" wurde, sei mal dahingestellt. Jedenfalls hatten SPD und Grüne plötzlich eine Kandidatin, die rechnerisch fast so viele Stimmen auf sich vereinigen könnte wie der Amtsinhaber. Die Wahl Köhlers im ersten Wahlgang wäre trotz aller Kopf-an-Kopf-Hochrechnungen der Normalfall. Doch wer weiß schon, was in den Köpfen mancher Wahlmänner und -frauen vorgeht, die aus welchen Gründen auch immer die ihnen zugedachte Stimmrolle nicht spielen wollen. Union und FDP rechnen mit Köhler-Stimmen von Freien Wählern, die vorwiegend aus der CSU hervorgegangen sind. Bei der SPD ist die Zahl glü-hender Schwan-Verehrer übersichtlich, heißt es. An mitreißende Zustimmung der Führung kann man sich nicht recht erinnern. Nur ist eine Wahl wie diese eine Rechnung mit Unbekannten. Eine Frau, eine neue Richtung - gewählt wird nicht nur mit dem Kopf, Umfragen sagen nicht alles. Es ist durchaus im Rahmen der Vorstellungskraft, dass die neue Staatsspitze erst feststeht, wenn der Deutsche (Fußball)Meister schon gefeiert wird. Pluspunkt Beliebtheit Was für Köhler spricht? Er ist beliebt! Was gegen ihn sprechen könnte: Der Präsident sollte mehr als "nur" populär sein. Im Idealfall ist er der Mann für das gewichtige politische Wort ohne Parteinahme im Merkel- oder Steinmeier-Sinne. An große Reden oder nachhaltige Wegweisungen denkt man bei Köhler aber weniger als etwa an den Einsatz für Afrika. Er hat Ahnung von Wirtschaft, was in Krisenzeiten nicht gering zu achten ist, er ist ein ehrlicher, unabhängiger Mensch. Aber auch ein bisschen langweilig, wie vor allem Medien-Kritiker meinen, die es gerne etwas unruhiger haben. Für Gesine Schwan, die nur mit den Stimmen der Linken gewinnen kann (kein angenehmer Gedanke für manche Genossen), spricht ihre unkonventionelle Art. Beharrlich setzt sie sich für die Gleichberechtigung der Frauen auf allen Gebieten ein. Die Politikwissenschaftlerin scheut nicht davor zurück, gegen den Strom zu schwimmen und mit der Tradition zu brechen, dass man gegen einen amtierenden Präsidenten keinen aktiven Wahlkampf führt. Sie ist erfrischend, aber auch ein bisschen anstrengend. Mit Amtsbonus Eine Abwahl Köhlers wird es wohl nicht geben, das ist gut so. Bei ihm weiß man, was man hat. Auch wenn er in den letzten Jahren einen Wandel vom Finanzexperten zum Warner vor den Auswüchsen des Kapitalismus vollzogen hat - aber das trifft heutzutage auf viele zu. Der Präsident hat nur die Macht des Wortes, sagt man. Die konnte er gestern als Redner beim Staatsakt 60 Jahre Bundesrepublik sozusagen als Amtsbonus für sich nutzen. Mit Horst Köhler und Gesine Schwan stehen zwei respektable Persönlichkeiten zur Wahl, das ist gut für Deutschland. Die beiden anderen sind nur Zählkandidaten.
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