WAZ: Berlin, Brüssel, Washington: Opel sorgt für eine Weltpremiere - Leitartikel von Thomas Wels
Geschrieben am 29-05-2009 |
Essen (ots) - Hätte, wäre, könnte. Ja, in der Tat: Wenn sich nicht einige Ministerpräsidenten und Bundespolitiker mit eilfertigen Rettungszusagen für Opel aus dem Fenster gelehnt hätten, wäre es für die Kühl-Kalkulierer von General Motors nicht so einfach gewesen, die Bundesregierung zu erpressen. Der Amerikaner nimmt, was er kriegt - so funktioniert Wirtschaft. Auch bei uns.
Hätte sich also Deutschland besser rausgehalten aus der ganzen Chose? Schließlich ist Opel keine Bank, und wenn es Opel nicht mehr gibt, dann freuen sich Ford und VW. So schlicht kann Ökonomie sein. Zumal auch richtig ist: Wenn der Staat Opel hilft, muss er anderen auch helfen. Und weil er nicht allen helfen kann, sind es wieder die Großen, die er rettet. Die Kleinen sterben leise. Alles richtig. Also Finger raus aus der Wirtschaft? So steht's im Lehrbuch. Da steht aber nicht alles. Die Finanzkrise, das rapide Austrocknen der weltweiten Finanzströme nach dem Lehman-Gau, stand da nicht.
Es stehen Investoren bereit, die meinen, Opel erhalten zu können. Nur die Banken, die das finanzieren sollen, haben sich in den Schützengräben der Finanzkrise verschanzt. Selbst ein Kanzler Westerwelle kann sich da nicht hinstellen und sagen: Pech, so geht Marktwirtschaft. Eine Bürgschaft für einen Kredit ist ein Staatseingriff. Der sanfteste, den der Instrumentenkasten bereitstellt. Viel weiter geht die Bereitschaft, über Staatsbanken Geld zu geben. Das war das Maximum des Vertretbaren - eine Chance für Opel auf Risiko des Steuerzahlers. Man kann durchaus sagen, das geht zu weit: Weil vielleicht doch nicht die Finanzkrise Schuld ist am Opel-Elend, sondern der strukturelle Niedergang längst im Gange war. Hätte, wäre, könnte.
Es ist leichter, Ökonom zu sein als Kanzler. Diese Krise sollte Demut vor ihrer Komplexität gelehrt haben. Einfache Antworten gibt es nicht. Der Vorwurf trifft zu, dass die Politik im Opel zum Wahlkampf fährt. Die Kritik, Berlin habe unzulässig über etwas verhandelt, was GM gehört, aber nicht. GM gehört längst Washington und US-Steuerzahlern. Die brutalst marktwirtschaftliche Lösung war also längst ausgeschlossen. Der Ball liegt in den Ländern mit Opel-Werk, also auch hier, in Berlin, Washington und Brüssel - und zwar gleichermaßen. Falls alles gelingen sollte, wäre es jedenfalls eine große Premiere: der erste multi-nationale, polit-ökonomische Kompromiss in diesen gnadenlos globalisierten Zeiten. Und der Frieden am Ende, der wirkt lokal, hoffentlich auch in Bochum.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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