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Börsen-Zeitung: Der Ölpreis als Augenöffner, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 12-06-2009

Frankfurt (ots) - In der gerade beendeten Aktienwoche hat die
Rally am deutschen Aktienmarkt eine Verschnaufpause eingelegt. Unterm
Strich blieb im Vergleich zum Freitag der Vorwoche ein kleines Minus
von 0,7% übrig. Dem Dax gelang es nicht, wieder über die Marke von
5100 Punkten zu klettern. Er blieb zum Wochenausklang bei 5069
Zählern hängen. Dies verwundert eigentlich, weil doch diejenigen
Kräfte und Faktoren intakt sind, die den Markt in den vergangenen
Wochen angetrieben haben.

Nach wie vor machen Marktteilnehmer allerorten zarte grüne
Sprösslinge konjunktureller Art in Gestalt von Frühindikatoren aus,
die anzeigen sollen, dass die makroökonomische Bodenbildung
eingesetzt hat und der Absturz der Volkswirtschaften somit vorüber
ist. Zudem ist an den Aktienmärkten viel Liquidität vorhanden und es
haben viele Marktteilnehmer, die erst sehr spät auf den Zug
aufgesprungen sind, ein Interesse daran, dass die Hausse weitergeht.

Ein wichtiges Argument für die Fortsetzung des Aufwärtstrends sind
die Gewinnschätzungen für die börsennotierten Unternehmen. Im
Schlussquartal 2007 waren sie noch unrealistisch hoch, inzwischen
sind sie sehr deutlich reduziert worden. Nach Berechnungen der
Analysten der DZ Bank sind die Dax-Ergebnisprognosen für das
Geschäftsjahr 2009 um 59% und diejenigen für 2010 um 42% gekürzt
worden. Damit, so merken die Experten an, sei das Ausmaß der
Gewinnrevisionen früherer Rezessionen deutlich übertroffen worden.
Ferner hat sich die Geschwindigkeit der Anpassungen deutlich
verkleinert. Seit Beginn des aktuellen zweiten Quartals seien die
Erwartungen für 2009 nur noch um 10% zurückgenommen worden. Für 2010
seien sie sogar stabil gehalten worden.

Hinzu kommt, dass das Bewertungsniveau für die deutschen Blue
Chips nach wie vor recht günstig erscheint - zumindest, wenn man die
Prognosen für 2010 zugrunde legt. Auf dieser Basis beträgt das
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Dax entspannte 11,9. Zum Vergleich:
Der langjährige Durchschnitt liegt bei einem KGV von 15,8. Dabei ist
allerdings zu berücksichtigen, dass dieses historische Mittel auch
durch die rasanten Haussen der vergangenen zwei Jahrzehnte stark
mitgeprägt ist, die sich von der Entwicklung davor deutlich
unterschieden. Und betrachtet man statt des 2010er-KGV dasjenige auf
Basis der Erwartungen für das laufende Jahr, ergibt sich ein ganz
anderes Bild: Mit einem Kursniveau vom 16,1-fachen der Gewinne lässt
sich nicht wirklich von einem preisgünstigen Markt sprechen.

Und auch was die sogenannten "Green Shoots" betrifft, also die
bereits erwähnten zarten Sprösslinge, sieht die Lage nicht ganz so
freundlich aus, wie der Markt sie derzeit wahrnimmt. Die zuletzt
veröffentlichten Konjunkturdaten sind nämlich nicht besonders gut
ausgefallen. So haben, wie die Aktienexperten der Landesbank
Baden-Württemberg anmerken, die Auftragseingänge vom April nicht an
das überdurchschnittliche Plus vom März anknüpfen können. Bei den
Investitionsgütern und den Bestellungen aus dem Ausland seien sogar
deutliche Rückgänge zu verzeichnen gewesen. Die deutsche
Industrieproduktion hat ebenfalls enttäuscht. Sie fiel im April um 2%
hinter den Vormonatswert zurück. Auch bei den Geschäftsklimaindizes
als klassische Frühindikatoren machen die Analysten bestenfalls eine
Bodenbildung aus. Es mangelt derzeit also an harten Makrodaten, die
den kräftigen Optimismus der Börse untermauern könnten.

Es gibt noch einen weiteren Faktor, der hinsichtlich der
Fortsetzung der Rally pessimistisch stimmt. Der Ölpreis scheint sich
inzwischen oberhalb von 70 Dollar je Barrel festgesetzt zu haben-mit
weiter steigender Tendenz, weil viele Finanzinvestoren mit
umfangreichen Mitteln auf eine anhaltende Verteuerung des weltweit
wichtigsten Energieträgers gesetzt haben. Noch erlauben sich die
Akteure am Aktienmarkt den Luxus, den Ölpreisanstieg als Anzeichen
der Konjunkturerholung zu interpretieren. Sollte Öl aber, wie
Rohstoffexperten erwarten, Richtung 100 Dollar tendieren, dürfte er
sich für Konjunktur und Unternehmen zu einem erheblichen
Belastungsfaktor entwickeln. Er könnte sich dann als der Augenöffner
erweisen, der den Marktteilnehmern die tatsächliche Situation nahe
bringt.

(Börsen-Zeitung, 13.6.2009)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
Weitere Informationen: www.boersen-zeitung.de


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