Berliner Morgenpost: Steinmeier verpasst die Chance zum Aufbruch - Leitartikel
Geschrieben am 03-08-2009 |
Berlin (ots) - Es ist eine der leichtesten Übungen dieser Tage, über den Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten herzufallen, ihm einen dramatischen Niederschlag vorherzusagen für den Tag der Bundestagswahl, über sein mangelndes Charisma zu schwadronieren und sich im Zweifel auch noch über seine Haarfrisur lustig zu machen. Bei Zustimmungswerten um die 20 Prozent und demoskopischen Welten Rückstand gegenüber der Kanzlerin ist Häme wahrlich keine Kunst. Gern zitiert beim wohlfeilen Prügeln des angeschlagenen Kandidaten wird auch die Rolle Steinmeiers als Schröders Kanzleramtsminister und Architekt der Agenda 2010. Als habe er sich dafür zu schämen. Hat er nicht. Die Agenda 2010 war/ist das erfolgreichste politische Programm der jüngeren deutschen Geschichte, sie hat das Land wenigstens etwas kräftiger und widerstandsfähiger gemacht und, wenn nicht sehr vieles täuscht, die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Deutschland einigermaßen wohlbehalten durch diese Weltkrise kommen kann. Vergleichbar erfolgreiche Manöver hat die derzeitige Besatzung des Kanzleramts auch nicht ansatzweise vorzuweisen. Dessen Steuerfrau - die mehr die Kohlsche Strategie des Zuwartens adaptiert hat, als es ihr ehrlicherweise selbst gefallen mag - im Übrigen auch nicht. Also schaut man sich Steinmeiers Auftritt gestern Abend bei der Berliner Karl-Schiller-Stiftung einigermaßen erwartungsvoll an - und wird, wieder einmal, enttäuscht. Nicht von dem erneut blassen Auftreten des Kandidaten, der rhetorisch einfach nicht aus den Schuhen kommt, der gehemmt wirkt, der nicht überzeugt, auch wenn er immer wieder betont, überzeugt zu sein. Bitterer ist, dass Steinmeier inhaltlich so furchtbar vage bleibt. Gemessen an dem Getöse, mit dem Steinmeiers Stab im Vorfeld dieser so genannten Grundsatzrede um Aufmerksamkeit gebuhlt hat, kommt Steinmeier mit einem dünnen Progrämmchen um die Ecke, das schlicht und ergreifend unzureichend ist als Blaupause für eine "Politik für das nächste Jahrzehnt". Nichts zu spüren von einer Agenda 2020, vom Aufbruch, den ja auch er selbst so dringend brauchte. Jenseits der handelsüblichen Schlagworte von "Green-Tec", die man ebenso fördern müsse wie die Medizintechnik, bis zum "Anstand", der jetzt in der Politik gefragt sei; jenseits von mehr Bildung, noch mehr Arbeit für Millionen und einer "Allianz für den Mittelstand", die ziemlich stark an Schröders selig entschlafenes "Bündnis für Arbeit" erinnert, bleibt als konkrete Maßnahme: die Gründung einer neuen Software-Hochschule. Aller Ehren wert, aber für einen, der Kanzler werden will, war das viel zu wenig.
Originaltext: Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt: Berliner Morgenpost Chef vom Dienst Telefon: 030/2591-73650 bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
217206
weitere Artikel:
- WAZ: Schreibers Auslieferung - Windiger Zeuge. Kommentar von Dietmar Seher Essen (ots) - Nein, natürlich ist der CDU-Parteispendenskandal nicht Schnee von gestern. SPD und Grüne werden dafür sorgen. Die Auslieferung von Karlheinz Schreiber kommt für sie zu einem günstigen Zeitpunkt. Es ist Wahlkampf in Deutschland. Der Drahtzieher der Affäre, die den Einheitskanzler 1999 belastete und die Unionsführung einer Grundreinigung unterwarf, ist gut fürs Aufwärmen ungeklärter Fragen, um die Konkurrenz zu quälen. Freilich: Der Kronzeuge ist windig. Karlheinz Schreiber hat schon vor dem Untersuchungsausschuss gerne Fantasie mehr...
- WAZ: Steinmeiers Deutschlandplan - Destruktive Kritiker. Kommentar von Angela Gareis Essen (ots) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat häufig versichert, dass Deutschland gestärkt aus der Krise hervorgehen werde. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier legt in seinem Deutschland-Plan dar, wie das seiner Meinung nach funktionieren könnte. Er setzt einen Schwerpunkt darauf, dass Umwelttechnologien "made in Germany" der Welt aus der Klimakrise und zugleich Deutschland aus der Wirtschaftskrise helfen können. Seine Botschaft lautet, dass Veränderung nötig und Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2020 möglich sei. Das kann man für überambitioniert mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu Schreiber Bielefeld (ots) - Ob in acht Wochen Bundestagswahlen stattfinden oder nicht: Die Rückkehr des CDU-nahen Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber nach Deutschland kommt so ungelegen wie zu jedem anderen Zeitpunkt. Wichtig ist allein, dass der Mann mit den Bestechungsgeldern überhaupt noch vor ein deutsches Gericht gestellt wird. 1999 hat Schreiber die CDU in ihre schwerste Krise gestürzt. Seine Enthüllungen über illegale Spenden und schwarze Kassen haben der Union nicht nur die NRW-Landtagswahl 2000 vermasselt. Für viele brach damals mehr mehr...
- Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 4. August 2009 den "Deutschland-Plan" des SPD-Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier: Bremen (ots) - Visionen für ein Wunder von Joerg Helge Wagner Dass die politische Konkurrenz Frank-Walter Steinmeiers "Deutschland-Plan" als illusorisches Hirngespinst abtut, ist wirklich keine Überraschung. Wetten, dass die Büchsenspanner des SPD-Spitzenkandidaten ähnlich scharfe Formulierungen finden werden, wenn CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg demnächst sein Konzept zur Überwindung der Krise vorlegt? Das gehört zum Geschäft, ist aber auch gar nicht schlimm: Steinmeier selbst fordert den "Wettstreit um die besseren mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: zu Rentensteuer Halle (ots) - Wer nur die gesetzliche Rente bezieht, wird vermutlich kaum betroffen sein. Aber Betriebsrenten, Mieteinkünfte und Sparzinsen zählen eben auch zu den Einkünften, die wie bei jedem Arbeitnehmer dem individuellen Einkommenssteuersatz unterworfen sind. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit. Neben jenen, die selbstverständlich schon immer ihre Einkünfte angegeben haben, mag es tatsächlich Rentner gegeben haben, die sich dieser Pflicht nicht bewusst waren. Allerdings stellt sich die Frage, warum die Finanzbehörden dann solange das mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|