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Berliner Morgenpost: Elektroautos sind nicht Aufgabe des Staates - Leitartikel

Geschrieben am 19-08-2009

Berlin (ots) - Kaum hat die Abwrackprämie ihre ökonomisch höchst
umstrittene, wahlkampftechnisch dagegen erfolgreiche Wirkung als
Krisen-Puffer gezeitigt, lockt der Staat schon mit der nächsten
ordnungspolitischen Sünde: mit der Elektroprämie. 2011/12 soll, so
beschloss gestern die Bundesregierung, über ein Marktanreizprogramm
für Elektroautos entschieden werden. Von einem Zuschuss bis zu 5000
Euro ist bereits die Rede, um das erste Zwischenziel zum
umweltfreundlichen, lautlosen Automobil zu erreichen. Bis 2020 sollen
nämlich nach den Vorgaben der Koalition eine Million mit Strom
angetriebene Fahrzeuge auf deutschen Straßen rollen. Auch wenn das
nicht viel ist angesichts von derzeit rund 41 Millionen zugelassener
Pkws, klingt das schon wieder verdächtig nach Planwirtschaft.
Richtig allerdings bleibt, dass die Entwicklung umweltschonender
Antriebe wie der Elektrotechnik auch in Deutschland endlich
entschlossener vorangetrieben werden muss. Das allerdings ist in
erster Linie Aufgabe der Auto-, Batterie- und Energieindustrie - und
nicht des Staates. Der sollte allenfalls flankierend helfen, die
Grundlagenforschung für eine langlebige sichere Batterietechnologie
zu fördern, wie dies jetzt mit der Einrichtung von zwei Lehrstühlen
für Elektrochemie in Münster und an der Berliner TU geschieht. Der
Aufholbedarf insbesondere gegenüber Japan und mittlerweile auch China
ist enorm. Die sind zwar auch noch nicht am Ziel, aber dank ihrer
Erfahrung mit der batteriegetriebenen Versorgung etwa von Laptops
viel weiter. Kein Zufall, dass der Hybridantrieb (Kombination aus
Verbrennungsmotor und Elektroantrieb) in Japan serienreif ist.
Wie lang der Weg in Deutschland noch ist, lässt Europas größter
Autohersteller Volkswagen durchblicken. Frühestens ab 2013 kann VW
ein bezahlbares Elektroauto mit einer vernünftigen Reichweite von
etwa 150 Kilometern auf den Markt bringen. Bis dahin ist noch viel
Geduld und Erfindergeist nötig, um die gravierendsten Probleme zu
lösen. Zu denen gehören Langlebigkeit der Batterien, ihre Sicherheit
(keine Explosion durch Heißlaufen wie bei Computern geschehen),
international gültige Normen, akzeptable Ladezeit und eine
Infrastruktur für "Elektrotankstellen".
Angesichts all dessen sind die gestern vom Kabinett verkündeten
Planzahlen mit großer Skepsis zu bewerten. Immerhin hat sich die
große Koalition kurz vor Toresschluss noch zu einem Kompromiss
durchgerungen. Wohl auch in der Hoffnung, ein Pünktchen bei dem einen
oder anderen Wähler zu machen. Doch der sollte sich auch nicht
täuschen lassen, wenn etwa Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schon
frohlockt, die künftigen Elektroautos würden mit erneuerbarer Energie
fahren. Sicher ist allein, dass E-Autos sehr viel zusätzlichen Strom
verbrauchen. Eher unwahrscheinlich, dass der auch noch aus Wind und
Biogasen kommt. Gabriel sollte, wenn er es ernst meint mit dem
Elektroauto, den Atomstrom nicht länger voreilig verteufeln. Sonst
kommt sein Batteriegefährt noch länger nicht voran.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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