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Börsen-Zeitung: Illusion der Unterbewertung, Kommentar zu den Finanzmärkten von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 21-08-2009

Frankfurt (ots) - Vor ein paar Tagen sah es noch so aus, als würde
den globalen Aktienmärkten der Welt eine Korrekturphase bevorstehen.
Die massiven Kursverluste an den überbewerteten chinesischen
Festlandbörsen sorgten für Schockwellen rund um den Globus. Abzulesen
war das an den als "Angstbarometer" angesehenen Volatilitätsindizes
VDax in Deutschland und VIX in den USA, die mit über 30 bzw. fast 18
Zählern Niveaus erreichten, von denen man dachte, dass sie im Zuge
des Ausklingens der Krise Vergangenheit wären. Zum Wochenende hin hat
sich die Lage aber wieder merklich entspannt. Der deutsche
Aktienmarkt hat zuletzt drei Tage mit Gewinnen verzeichnet, auch in
den USA sieht die Lage freundlich aus.

Positive Makrodaten

Getragen wurde die Aufwärtsbewegung an den Börsen von positiven
Konjunkturdaten. Deutschland, Frankreich und sogar Japan haben die
Rezession offenbar hinter sich gelassen. Der Internationale
Währungsfonds IWF hat in der gerade beendeten Börsenwoche in einer
Studie dasselbe auch für die globale Wirtschaft festgestellt. Im
Inland hellt sich neuesten Umfragen zufolge sogar das Sentiment der
Marktteilnehmer auf, das im Vergleich zu der deutlich positiveren
Stimmung der Anleger an anderen wichtigen Märkten auffällig
hinterherhinkte.

Dass es in China zu einer Korrektur kommen würde, hätte eigentlich
allen Beteiligten klar sein müssen. Das Reich der Mitte ist
hinsichtlich der Bewertung der Aktien an den Festlandbörsen ein
Sonderfall. Kein anderer bedeutender Markt erreichte ein
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 30. Zum Vergleich: Gemessen an
den Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate liegt das
durchschnittliche KGV der Dax-Werte bei schlappen 12. Die Bewertung
des deutschen Marktes liegt also - trotz der ungewöhnlich
ausgeprägten Rally, die den Leitindex seit dem Tief vom März um rund
50% nach oben getrieben hat - deutlich unter dem Durchschnitt der
vergangenen Jahrzehnte von rund 15.

Insbesondere deutsche Aktien wären demnach eigentlich als
unterbewertet anzusehen, was als ein klares Kaufsignal zu
interpretieren wäre. Merkwürdigerweise hat die Rally aber an Dynamik
eingebüßt, und die Mehrzahl der Anleger ist gemäß den
Sentimentumfragen - trotz der erwähnten Stimmungsaufhellung - immer
noch eher bearish eingestellt. Sind viele Investoren etwa nicht mehr
in der Lage, Chancen zu erkennen, wenn sie sich ihnen bieten?

Erhellend sind in diesem Zusammenhang Ausführungen von Patrick
Artus, Chefvolkswirt von Natixis. Er argumentiert, dass es aktuell
gefährlich ist, aus historischen KGV-Vergleichen auf eine
Unterbewertung von Märkten zu schließen. Es sei durchaus möglich,
dass es infolge der Krise zu einem irreversiblen Anstieg der von den
Investoren geforderten Risikoprämien gekommen sei, da die Anleger
gegenüber den Ausfallrisiken sensibler geworden seien. Ein solches
Phänomen lasse sich an den Credit-Spreads bereits ablesen. Höhere
Risikoprämien resultierten aber in einem im historischen Vergleich
niedrigeren Niveau der von den Marktteilnehmern als normal
angesehenen Bewertungen. Zudem zeige sich auch in Phasen mit einem
knapperen Wirtschaftswachstum - womit nach Artus' Einschätzung zu
rechnen ist - ein Auseinanderlaufen der nur gemächlich reagierenden
langfristigen Nominalzinsen und des Wirtschaftswachstums. Zudem werde
die durch die Krise hohe öffentliche Verschuldung für ein steigendes
Zinsniveau sorgen. Beides resultiere in tendenziell niedrigeren
Kurs-Gewinn-Verhältnissen.

Folgt man Artus, lässt sich nach der rasanten Erholung der
Aktienmärkte kaum mehr von niedrigen Bewertungen sprechen. Für die
aktuellen Kursgewinne muss daher eine andere Antriebsquelle vorhanden
sein. Diese gibt es in der Tat: Letztlich ist die hohe
Überschussliquidität für einen Großteil der Erholung bei Aktien
verantwortlich. Sie wird den Märkten wohl noch für längere Zeit
erhalten bleiben, da die Notenbanken noch keine Bemühungen zur
Normalisierung eingeleitet haben. Da die hochspekulativen Gelder, die
die Märkte beherrschen, aber sehr volatil sind, ist auch weiter mit
Verwerfungen zu rechnen, wie es sie Anfang der gerade beendeten
Börsenwoche gegeben hat. Für die Aktienanlage braucht man bis auf
Weiteres gute Nerven.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Weitere Informationen: www.boersen-zeitung.de
Telefon: 069--2732-0


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