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Berliner Morgenpost: Auf den Spuren der Empörung - Leitartikel

Geschrieben am 29-08-2009

Berlin (ots) - Kann man ja noch mal drüber nachdenken, an einem
Landtagswahltag, an dessen Ende vermutlich wieder ein Lamento steht,
über zu viele Nichtwähler und über zu viele Stimmen für Parteien, die
nicht viel mehr draufhaben als das wohlfeile Verstärken allgemeiner
Unzufriedenheit. Wie kommt es eigentlich dazu? In solchen Zeiten
zumal? In denen es ja wirklich um was geht in der Politik?
Wer sich umgehört und umgeschaut hat in dieser Woche in den
Talkshows, in den Tageszeitungen, auf Websites, der konnte Indizien
sammeln. Zu beobachten war unter dem Stichwort Ackermann-Party ein
interessantes Phänomen, eine seltsam unterschiedliche Wahrnehmung
eines ziemlich banalen Vorgangs, eines offenbar gar nicht übermäßig
üppigen Diners im Berliner Kanzleramt.
Auf der einen Seite also: die gut dosierte, mehr oder weniger
zurückhaltend formulierte Empörung jenes Teils unserer Gesellschaft,
der sich darüber wundert, dass man derart kleinkariert sein kann,
sich über ein simples Abendessen der Bundeskanzlerin mit dem Chef der
Deutschen Bank samt ein paar wenigen geladenen Gäste aufzuregen.
Völlig unstrittig sei es ja wohl, so die Steinbrücks dieser Republik,
dass eine Kanzlerin derartige Treffen arrangieren darf, ja muss, zum
Wohle des Landes.
Auf der anderen Seite, vor allem in den Leserbriefrubriken, auf
interaktiven Internetseiten, an den virtuellen und realen
Stammtischen dieser Republik: die alles andere als gut dosierten, die
hämischen, pöbelnden, aggressiven Spuren jener Empörung, die ein
anderer Teil unserer Gesellschaft aus jenem Geburtstagsdiner schöpft.
Er entdeckt darin den quasi ultimativen Beweis dafür, dass in diesem
Land nur wenig mit rechten Dingen zugeht, dass gekungelt wird und
gemogelt zu Lasten der Kleinen. Ihr da oben: Dolce Vita, wir hier
unten: desillusioniert und uneingeladen, zu kurz gekommen.
Ein Essen im Kanzleramt als gefühltes Symbol einer geteilten
Republik. Das ist gesellschaftlicher Zündstoff, den man besser nicht
als reine Neiddebatte zur Seite schieben sollte. Menschen, hier wie
dort, sind nun mal kleinkariert. Und wer Menschen ernst nehmen will -
und das muss Politik, um erfolgreich zu sein -, der sollte sich nicht
über sie erheben. Es spricht für die Bundeskanzlerin und ihr
politisches Gespür, dass sie eine der wenigen war, die den Unmut
darüber nicht als Dumpfsinn abgetan hat, sondern zumindest im
Nachhinein mit bemerkenswertem Verständnis reagierte.
Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner Berliner Rede angesichts
des Versagens der Finanzsysteme mehr Bescheidenheit eingefordert,
gerade von den Eliten, die ja auch Vorbild sein sollten. Wohlgemerkt:
Bescheidenheit, nicht Sack und Asche. Man darf sich also gerne daran
erinnern, auch wenn ein paar Frankfurter Börsenpfeile schon wieder
ein wenig nach oben weisen. Die "Das-steht-mir-zu-Mentalität"
jedenfalls, mit der zum Beispiel Ulla Schmidt sich und ihre Partei
ein Stück in Richtung Abgrund manövriert hat und die in manchem
Beitrag zum Ackermann-Essen mitschwingt, deutet nicht darauf hin,
dass Köhlers Mahnung angekommen ist.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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