Berliner Morgenpost: Es muss aufgeklärt statt vertuscht werden - Leitartikel
Geschrieben am 04-09-2009 |
Berlin (ots) - Nun soll plötzlich alles gar nicht so schlimm sein. Und deshalb lugt denn auch schon der nächste Skandal um die Ecke. Hatten Ärzte und Krankenhausdirektoren sowie ihre jeweiligen Standesvertreter nicht tagelang über einen Abgrund von Korruption, Bestechung und Missachtung der medizinischen Ethik lamentiert, weil Krankenhäuser Kassenärzte finanziell belohnten, wenn sie Patienten in ihr Hospital überwiesen? Hatten sie nicht gleich auch noch den skandalisierenden Begriff "Fangprämie" erdacht? Und nun das: Alle Beteiligten spielen die Bestechung im Gesundheitswesen zu einer vermeintlichen Petitesse herunter. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft wie der Vizepräsident der Bundesärztekammer erklärten gestern nach dem gemeinsamen Spitzentreffen wie aus einem Munde, die "Fangprämie" sei der Rede eigentlich kaum wert. Eine Kehrtwendung, die stutzig macht. Wenn tatsächlich das Problem gar keins ist, muss man doch wohl staunend fragen, warum eiligst zu einem Spitzentreffen gerufen wurde. Die Herren Funktionäre müssten doch eigentlich schon vorher über Tun oder Nichttun ihrer Klientel im Bilde gewesen sein. Erst recht, wenn alles wirklich seine Ordnung hatte. Nun liegt der Verdacht nah, dass nicht aufgeklärt, sondern vertuscht werden soll. Schwere Verfehlungen zumindest mancher Ärzte und Krankenhäuser sollen unter der Decke gehalten, Patienten, Krankenkassen und Gesundheitspolitiker möglichst schnell wieder ruhiggestellt werden, um weiteren Nachforschungen den Boden zu entziehen. Die allerdings bleiben dringlich. Wenn beispielsweise ein Klinikchef offen darüber spricht, dass nach gängiger Praxis in der Orthopädie für die Überweisung zu einer Hüftoperation eine "Fangprämie" von 200 oder 300 Euro kassiert wird, kommt das einem Skandal recht nahe. Ärzte haben ihren Patienten das medizinisch beste Krankenhaus zu empfehlen, nicht das am besten zahlende. Allerdings bleibt Differenzierung geboten. Ein Generalverdacht gegen Ärzte ist ebenso unlauter wie gegen im Wettbewerb stehende Krankenhäuser. Zumal Verträge zwischen Kassenärzten und Hospitälern - um Kosten zu sparen - auch legal sein können. Wenn es etwa um die Nachbehandlung von Operationen geht. Diese "integrierte Versorgung" hat mit strafbewehrter Bestechung, und das sind "Fangprämien", nichts zu tun. Dass nun auch noch das medizinische Ethos zur Beliebigkeit zu verkommen droht, wirft einen weiteren tiefen Schatten auf unsere Gesellschaft. Wem soll man eigentlich noch vertrauen? In der Wirtschaft kassieren Pleitemanager Millionen-Abfindungen, Politikern glauben die Bürger schon lange kaum noch, an sportlichen Höchstleistungen nagt immer öfter der Verdacht unfairen Nachhelfens mit Pharmaka. Und nun auch noch Ärzte. Ein Stand, der sich dem Selbstverständnis nach allein dem Menschen und nicht dem Mammon verpflichtet fühlt. So wird der Zusammenhalt einer Gesellschaft mehr und mehr untergraben. Es wird höchste Zeit zur Einkehr.
Originaltext: Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
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