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"Rechte von Zuwanderern stärken" - Gemeinsame Stellungnahme zur Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes

Geschrieben am 24-07-2006

Hannover (ots) - Die evangelische und die katholische Kirche
bedauern, dass ihre Forderungen bei der Evaluierung des
Zuwanderungsgesetzes weitgehend unberücksichtigt geblieben sind. Der
heute vom Bundesinnenministerium vorgelegte Bericht sehe
beispielsweise weiterhin vor, den so genannten Ehegattennachzug vom
Erreichen eines Mindestalters von 21 Jahren und vom Nachweis
deutscher Sprachkenntnisse vor der Einreise abhängig zu machen,
kritisieren der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der
Europäischen Union, Prälat Stephan Reimers, und der Leiter des
Kommissariates der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten. Diese
Maßnahmen lehnen die Kirchen als unverhältnismäßig ab. "Um Opfern von
Zwangsverheiratungen Schutz zu bieten, sollten vielmehr deren
eigenständige Wiederkehr- und Aufenthaltsrechte gestärkt werden", so
Jüsten und Reimers in ihrer gemeinsamen Stellungnahme.

Besonders kritikwürdig sei auch der Umstand, dass sich die
Situation von Menschen mit so genannten Kettenduldungen nicht
verbessern werde. Die Pläne des Bundesinnenministeriums zielten auf
eine Vereinheitlichung der restriktiven Auslegung von Regelungen, die
ursprünglich in das Zuwanderungsgesetz aufgenommen worden waren, um
die Zahl der von Kettenduldungen Betroffenen zu verringern, bemängeln
Reimers und Jüsten. Sie plädieren für eine Aufenthaltserlaubnis, die
auch eine Arbeitserlaubnis vorsieht.

Die Erklärung im Wortlaut:

Erklärung des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche
in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der
Europäischen Union, Prälat Stephan Reimers, und des Leiters des
Kommissariates der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten, zum
Evaluierungsbericht des Bundesministeriums des Innern

Den heute vom Bundesministerium des Innern vorgelegten
umfangreichen Bericht zur Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes haben
die Kirchen mit Spannung erwartet. Entsprechend den in der
Koalitionsvereinbarung getroffenen Beschlüssen haben sie damit auch
die Hoffnung verbunden, dass das Zuwanderungsgesetz zugunsten der
betroffenen Ausländer verbessert würde.

Wir begrüßen es, dass der Bericht die Notwendigkeit betont,
Integrationsangebote verstärkt auch schon länger in Deutschland
ansässigen Migranten zugänglich zu machen. Dies entspricht der
Forderung nach einem Ausbau der so genannten "nachholenden"
Integration, die auch von den Kirchen immer wieder vorgebracht worden
ist Dieser Bericht ist allerdings ebenso wie die gesellschaftliche
und politische Diskussion um Integration leider an vielen Stellen von
Misstrauen und der Forderung nach Sanktionen geprägt. Eine
erfolgreiche Integration bedarf indes eines gesellschaftlichen
Klimas, das Zuwanderung und Integration als Chance für unser Land
ebenso wie für die Zuwanderer begreift.

Unserer ersten Einschätzung nach sind die Forderungen der Kirchen
in einigen zentralen Bereichen weitgehend unberücksichtigt geblieben.

Wie bereits der Referentenentwurf des Bundesministeriums des
Innern zur Umsetzung europäischer Richtlinien sieht auch der
Evaluierungsbericht vor, den Ehegattennachzug vom Erreichen eines
Mindestalters und vom vorherigen Nachweis deutscher Sprachkenntnisse
abhängig zu machen. Damit sollen Zwangsverheiratungen verhindert
werden. Die Kirchen, denen der Schutz der Familieneinheit auch von
Migranten ein besonderes Anliegen ist, zweifeln an der Eignung dieser
Maßnahmen und lehnen sie als unverhältnismäßig ab. Um Opfern von
Zwangsverheiratungen Schutz und Hilfe zu bieten, sollten vielmehr
deren eigenständige Wiederkehr- und Aufenthaltsrechte gestärkt
werden. Gerade das eigenständige Aufenthaltsrecht vermittelt
zwangsverheirateten Frauen die Möglichkeit, nach zwei Jahren Ehe
unabhängig von ihren Ehepartnern in Deutschland bleiben zu können.
Diese Zeitspanne soll laut Bericht nun von zwei auf drei Jahre
angehoben werden. Kritisch betrachten wir auch die geplante
Einführung eines Rechtes von Behörden, Vaterschaftsanerkennungen
anzufechten.
Generell stimmt es uns besorgt, dass der Bericht, gerade auch in
seinen Ausführungen zum Familiennachzug, ein Misstrauen gegenüber den
betroffenen Menschen erkennen lässt. So werden vorgeschlagene
Beschränkungen des Schutzes von Ehe und Familie wiederholt damit
begründet, dass die bisher geltenden günstigeren Regelungen zum
Missbrauch einladen. Belege für solch missbräuchliche Inanspruchnahme
fehlen jedoch weitgehend.

Besonders zu kritisieren ist der Umstand, dass sich auch die
Situation von Menschen mit so genannten Kettenduldungen nach den
Vorschlägen des Berichts nicht verbessern wird. Die Regelungen, die
in das Zuwanderungsgesetz aufgenommen wurden, um die Zahl der von
einer Kettenduldung Betroffenen zu verringern, werden in den
Bundesländern unterschiedlich ausgelegt. Dies hat zur Folge, dass
Ausländer in Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz größere Chancen
auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung haben als in Ländern wie
Hessen oder Baden-Württemberg. Die Pläne des Bundesinnenministeriums
zielen nun auf eine Vereinheitlichung der restriktiven Auslegung
dieser Bestimmungen ab. Wir fordern dagegen mit Nachdruck eine
großzügige Auslegung dieser Regelungen sowie eine umfassende
Bleiberechtsregelung für Menschen, die schon seit vielen Jahren in
Deutschland leben und zum Teil große Integrationsleistungen erbracht
haben. Die ursprüngliche Intention des Zuwanderungsgesetzes, den mehr
als 192.000 Betroffenen gesicherte Aufenthaltstitel zu gewähren, muss
umgesetzt werden.
Insofern begrüßen wir ausdrücklich die am Wochenende geäußerte
Absicht des Bundesinnenministers, eine Bleiberechtsregelung zu
unterstützen. Allerdings kommt es maßgeblich auf die konkrete
Ausgestaltung dieser Regelung an. Eine besondere Bedeutung kommt
dabei dem Kriterium der Lebensunterhaltssicherung zu. Geduldete haben
in vielen Bundesländern keinen oder nur eingeschränkten Zugang zum
Arbeitsmarkt. Setzt die Bleiberechtsregelung voraus, dass bereits ein
Arbeitsverhältnis besteht - wie in Vorschlägen von einigen
Bundesländern vorgesehen -, haben diese Menschen keine Aussicht auf
ein gesichertes Aufenthaltsrecht. Wir plädieren deshalb für eine
Aufenthaltserlaubnis, die mit einer Arbeitserlaubnis versehen ist.

Nicht nachvollziehbar sind in diesem Zusammenhang auch die Pläne
des Bundesinnenministeriums, die Situation von Geduldeten zusätzlich
zu erschweren: In hohem Maße kritikwürdig ist das Vorhaben, die
bislang übliche Ankündigung einer bevorstehenden Abschiebung zu
unterlassen. Das bedeutet, dass Menschen, selbst wenn sie sich seit
mehr als einem Jahr in Deutschland aufhalten, jeden Tag mit einer
Abschiebung rechnen müssen. Dies ist insbesondere für Familien mit
Kindern eine schwere psychische Belastung.

Berlin/Bonn, 24. Juli 2007
Pressestelle der EKD
Karoline Lehmann

Hinweis:
Diese Pressemitteilung wird zeitgleich von der Pressestelle der
Evangelischen Kirche in Deutschland und der Pressestelle im
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht.

Originaltext: EKD Evangelische Kirche in Deutschland
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55310
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55310.rss2

Evangelische Kirche in Deutschland
Hans-Christof Vetter
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: christof.vetter@ekd.de


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