Berliner Morgenpost: Merkels Machtgesetz gilt auch für Westerwelle - Leitartikel
Geschrieben am 28-09-2009 |
Berlin (ots) - Wenn es ein merkelsches Machtgesetz gibt, dann dieses: Aufgeregt und aufgeblasen laufen Männer umher, doch am Ende gewinnt immer nur eine. Dieses Gesetz gilt auch weiterhin: In Merkels Nähe lebt es sich gefährlich. Ihrer ohnehin eindrucksvollen Strecke hat die Machtfrau am Wahlsonntag ein paar weitere prominente Opfer hinzugefügt: Ausgebuffte Polit-Profis wie Müntefering, Steinmeier und Steinbrück tauscht sie gegen die Kabinettspraktikanten von der FDP, sie hat den neidvoll nach Berlin schielenden Christian Wulff auf Distanz gebracht, der lästige Bayer Seehofer hat sich gleich selbst erledigt. Die gesamten Verluste der Union lassen sich vortrefflich nach München schieben. Zudem hat sie sich Respekt in der CDU erworben. Denn die Chefin hat ihren Valium-Wahlkampf gegen die Krawalleros durchgehalten und damit fast zwei Millionen potenzieller SPD-Wähler von den Wahllokalen ferngehalten. So hat sie ihrer Partei nach jetzigem Stand vier weitere Ministerien erobert, denn von acht SPD-Ressorts bekommt die FDP bestenfalls die Hälfte. Mit neuen Posten lässt sich eine Partei gern korrumpieren. Zugleich ist im rot-rot-grünen Lager eine vermutlich wenig appetitliche Keilerei innerhalb und zwischen den drei Oppositionsparteien zu erwarten. Machterhalt und Machtausbau ist der Kern politischen Handelns; beides ist der Kanzlerin gelungen. Angesichts der effektiven merkelschen Machtphysik tut der künftige Vizekanzler Westerwelle gut daran, sich in huldvoller Dezenz zu üben. Fakt ist: Der FDP-Chef hat noch nie regiert. Als Anführer der Koalitionsverhandlungen, Dompteur einer zum Übermut neigenden Partei sowie einer neu besetzten Fraktion und als künftiger Minister hat der gelernte Oppositionspolitiker eine Reihe neuer Jobs geerbt. Viel Ruhe wird er da nicht bekommen. Der Typus Westerwelle ist für Deutschland eine kulturelle Herausforderung, wie es 1998 der Vizekanzler Joschka Fischer war, nur eben von der anderen Seite des Schulhofs. Der FDP-Chef steht seit jeher unter verschärfter Beobachtung. Bislang hat Westerwelle vor allem Hoffnungen geweckt; jetzt muss er liefern, nicht nur Ideen und Durchsetzungshärte, sondern auch Posten. Rücken betagtere Anwärter wie Solms und Brüderle oder Pieper und Leutheusser-Schnarrenberger ins Kabinett, ist der gefühlte Glanz des Neuaufbruchs schnell dahin. Am Beispiel Guttenberg ist klar geworden, welche Dynamik junge, frische Typen erzeugen können. Dann aber murren die Alten. Und schon hat der Ober-Liberale einen Generationskonflikt am Hals. Die Kanzlerin wird kühl lächelnd beobachten, wie ihr neuer Partner zwischen den Mühlsteinen der Macht quietscht. Mit dem Fundamentalsatz, sie sei "die Kanzlerin aller Deutschen", hat Mutti Merkel die Rollen bereits verteilt. Wie einst Helmut Kohl will sie sich auch fürderhin als Kümmerin positionieren. Für Bosheiten und soziale Kälte ist ab sofort die FDP zuständig. Das merkelsche Machtgesetz gilt weiter.
Originaltext: Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt: Berliner Morgenpost Chef vom Dienst Telefon: 030/2591-73650 bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
227635
weitere Artikel:
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Wahl Bielefeld (ots) - Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor man ihn erlegt hat. Kaum ist der Bär tot, stürzt sich der Wahlsieger auf die Beute. Die FDP hat mutig den Kampf um Posten begonnen und gestern mächtig mit ihren Muskeln gespielt. Anders Angela Merkel. Sie hat zwar auch ihr politisches Terrain in einer neuen schwarz-gelben Regierung abgesteckt. Aber ihr geht es nicht nur um Posten. Sie hat deutlich gemacht, dass die Innenarchitektur dieses von ihr geführten Bündnisses sich fundamental von den schwarz-gelben Koalitionen mehr...
- Lausitzer Rundschau: Angela Merkel zwischen FDP und CSU Die ruhigen Zeiten sind vorbei Cottbus (ots) - Kurz bevor Angela Merkel 2005 ins Kanzleramt einzog, schien sie in einer aussichtslosen Lage. Angeschlagen durch das schwache Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl. Und mit der Aussicht, von den Schwergewichten ihrer Koalitionspartner bis zur politischen Bewegungsunfähigkeit eingekeilt zu werden. Es kam anders: Der bayerische Löwe Edmund Stoiber, ursprünglich vorgesehen als Superminister für Wirtschaft und Finanzen, wagte den Sprung ins ferne Berlin erst gar nicht. Und der starke Mann der SPD, Franz Müntefering, tat mehr...
- Lausitzer Rundschau: Die Stärke der Linken nach der Bundestagswahl Kraftstrotzend Cottbus (ots) - Sie kommt als große Gewinnerin dieser Bundestagswahl daher - diese scheinbar kraftstrotzende Linkspartei, die die Sozialdemokraten in die Knie zwang. Tatsächlich allerdings geht nirgendwo die Rechnung des ehemaligen SPD- und jetzigen Linkspartei-Vorsitzenden Oskar Lafontaine auf. In keinem Bundesland fängt sie auch nur die Hälfte der katastrophalen SPD-Verluste auf, zusammen gerechnet fehlen den beiden Parteien jetzt acht Prozent, die im Übrigen auch nicht durch grüne Zugewinne wett gemacht werden könnten. Die Stärke der mehr...
- Lausitzer Rundschau: Zum Rausschmiss von Hertha-BSC-Trainer Lucien Favre Allen Treueschwüren zum Trotz Cottbus (ots) - Alle Treueschwüre, gemeinsam durch die sportliche Krise zu gehen, sind am Ende - wie fast immer - wertlos gewesen. Da hat auch Hertha BSC keine Ausnahme gemacht. Zuletzt rückte Sport-Geschäftsführer Michael Preetz vom Schweizer ab, Lucien Favre muss seinen Trainer-Stuhl räumen. In der Vorsaison als Architekt eines Erfolgsteams gefeiert, wird der Coach nun für die hilflosen Darbietungen seiner führungslosen Mannschaft verantwortlich gemacht. Die Fakten sprachen indes selten zuvor so deutlich gegen einen Trainer: Fehlstart mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Wahlen / Bundestag / CDU / FDP Osnabrück (ots) - Kluger Start Keine großen Visionen, keine neuen Versprechen: Union und FDP beginnen ihre Zusammenarbeit betont nüchtern und zurückhaltend. Das ist klug. Denn jetzt heißt es, nicht mehr bloß über Inhalte zu reden, sondern sie auch durchzusetzen. Das vorgesehene Tempo der Regierungsbildung kann sich ebenfalls sehen lassen. Bis zum 9. November, dem Jahrestag des Mauerfalls, soll das Kabinett stehen - ein ambitioniertes Ziel angesichts der großen Herausforderungen etwa in der Finanz-, Steuer- und Bildungspolitik. mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|