Berliner Morgenpost: Mehr Mut für eine Gesundheitsreform - Leitartikel
Geschrieben am 23-10-2009 |
Berlin (ots) - Nicht weniger als den Einstieg in eine "neue Ordnung" will die neue Koalition in der Gesundheitspolitik schaffen. Der Verhandlungsführer der FDP für diesen Bereich, Philipp Rösler, spricht sogar von einem Finanzierungsmodell für das Gesundheitswesen, das nicht mehr alle zwei, drei Jahre verändert werden müsse. Und zum Beweis für diese Pläne ändert die neue Koalition erst einmal - gar nichts. Der Gesundheitsfonds bleibt zunächst bestehen wie bisher, das ist das Paradoxe an diesen Reformplänen, auf die Union und FDP sichtlich stolz sind. Es gibt auch nach wie vor einen einheitlichen Krankenkassenbeitrag. Der einzige Unterschied im nächsten Jahr: Kassen, die mit dem Geld aus dem Fonds nicht auskommen, müssen von ihren Versicherten zum 1. Januar 2011 - oder noch früher - Zusatzbeiträge kassieren. Die Arbeitgeber dürfen sich freuen: Sie zahlen nämlich nicht mehr. Der Rest des milliardengroßen Finanzlochs bei den Krankenkassen wird einfach über einen noch höheren Steuerzuschuss ausgeglichen. Der Staatshaushalt rutscht also vorerst noch weiter in die roten Zahlen. Ein Durchbruch sieht anders aus. Wenn Union und FDP tatsächlich den Anspruch hatten, eine Reformkoalition zu bilden, dann sind sie erst einmal kläglich gescheitert. Sie retten sich über das Jahr 2010, indem sie die verkorkste Gesundheitsreform der großen Koalition erst einmal unverändert lassen. Wenn der Unmut der Bürger über die finanziellen Belastungen vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu groß werden sollte, kann insbesondere die Union sagen: Seht her, das ist nichts anderes, als wir mit der SPD beschlossen haben. Die Sozialdemokraten werden so in Mithaftung genommen. Für die Zeit ab 2011 haben die beiden Koalitionäre dagegen Großes vor. Sie wollen nun doch noch die umstrittene Gesundheitsprämie einführen, um die es zuletzt sehr still geworden war. Kanzlerin Angela Merkel hatte sie im Wahlkampf mit keinem Wort erwähnt, doch jetzt soll die Prämie ein Comeback erleben. Obwohl die Pläne dafür noch hinreichend vage sind, bezeichnen Gewerkschaften, Sozialverbände und die Opposition sie schon als Teufelswerk. Dabei ist der Grundgedanke richtig: Die steigenden Kosten für Gesundheit sollen die Lohnkosten nicht mehr automatisch nach oben treiben. Und: Der Ausgleich zwischen armen und reichen Versicherten soll über Steuern stattfinden. Unterm Strich muss das für den Einzelnen nicht teurer werden. Doch so weit sind die Koalitionäre noch lange nicht. Sie müssen nicht nur erst den öffentlichen Widerstand überwinden. Sie müssen sich selbst erst einmal einig werden, denn vor allem die CSU hat noch immer Vorbehalte gegen die Prämie. Eine Regierungskommission soll nun Vorschläge für eine Gesundheitsreform liefern, die erst 2011 starten soll. Das erscheint wie ein Beschäftigungsprogramm. Wenn Union und FDP wirklich die Gesundheitsprämie einführen wollten, könnten sie gleich damit anfangen. Doch sie haben offenbar Angst vor dem Wähler. Und die war noch nie ein Ratgeber für "neue Politik".
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