Berliner Morgenpost: Eine Verpflichtung für Deutschland - Leitartikel
Geschrieben am 31-10-2009 |
Berlin (ots) - Es sind Zeiten, in denen mit der Hand zu greifen ist, welche Bedeutung Politik haben kann für das Leben der Menschen, für Wohl und Wehe. George Bush, Michael Gorbatschow und Helmut Kohl hätten ja auch anders agieren können, damals vor 20 Jahren. Erneutes Blutvergießen, erneutes Leid, das war nicht ausgeschlossen in dieser dramatischen Situation. Aber so? Die drei, deren Verdienste gestern noch einmal hier bei uns in Berlin gewürdigt worden sind, haben ihren Ehrenplatz redlich verdient im großen Buch der Weltgeschichte. Nicht nur, weil sie uns Deutschen geholfen haben, wieder ein Volk zu sein. Sondern auch, weil sie ihre Länder so klug und umsichtig geführt haben, dass die Folgen dieses politischen Bebens beherrschbar blieben. Es wird wichtig sein in den nächsten Jahren, dass die Nachfolger dieser drei ähnlich souverän agieren, ähnlich gelassen, aber auch ähnlich entschieden. Bei den Verhandlungen über den schwarz-gelben Koalitionsvertrag konnte ja zuweilen der Eindruck entstehen, Außenpolitik und Diplomatie spielten keine große Rolle, sie rangierten eher unter ferner liefen. Dem FDP-Chef wurde geraten, sich doch lieber für ein anderes, ein "wichtigeres" Ressort zu entscheiden als für das Außenamt. Bei allem Respekt für die Untiefen der Innen- oder Finanzpolitik, eine solche Haltung spricht schon für sehr kleines Karo, der Tellerrand als unüberwindbare Hürde. Guido Westerwelle hat sich von derlei klugen Ratschlägen richtigerweise nicht beeindrucken lassen. Gerade deshalb: Das, was wir bisher von ihm zu seinem neuen Amt, zu seinen Zielen, zu seiner Haltung gehört haben, ist dürftig. Der Satz, er wolle sich um den Abzug der letzten Atomwaffen von deutschem Boden bemühen, klingt eher anbiedernd angesichts der weiten Linien, die US-Präsident Obama gerade gezogen hat. Da darf gerne mehr kommen vom FDP-Chef. Zu tun, zu sagen, zu ändern gibt es ausreichend. Die Europäische Union zum Beispiel, Helmut Kohls und auch Hans Dietrich Genschers Vermächtnis, braucht dringend neuen Impuls. Wir müssen noch enger zusammenarbeiten, wenn Europa Gewicht behalten soll angesichts einer sich weiter verändernden Weltordnung. Ohne anmaßend zu sein, aber gerade im Angesicht der italienischen und französischen Führungsverhältnisse, der britischen Skepsis und eines ökonomisch noch immer labilen Osteuropas lastet eine große Verantwortung auf den Schultern Angela Merkels und Guido Westerwelles. Afghanistan ist kein Feld, das allein ein Verteidigungsminister bestellen sollte. Der Nahe Osten. Muss man daran erinnern, dass gerade die FDP eine wichtige Rolle gespielt hat im Dialog mit den islamischen Ländern? Darin liegt doch auch eine Chance. Die ebenso empfindlichen wie existenziellen Beziehungen zu China: Ob Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, diese seltsamste aller Personalentscheidungen der schwarz-gelben Koalition, der Richtige ist, auf diesem sensiblen Feld erste Pflöcke einzuschlagen? Wir Deutschen haben profitiert von der Weltpolitik der vergangenen Jahrzehnte wie kaum ein anderes Land. Das ist Glück und Verpflichtung zugleich.
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