Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 10. November 2009 den 20. Jahrestag der Maueröffnung:
Geschrieben am 09-11-2009 |
Bremen (ots) - Die gelassene Nation von Joerg Helge Wagner Die DDR hat ihren 40. Gründungstag gerade noch erlebt, bevor sie implodierte: Eine gespenstische Veranstaltung, die nur den völligen Realitätsverlust ihrer Führungsriege belegte. Wie war so etwas nur möglich? Die viel spannendere Frage heute aber lautet: Was werden die Deutschen aus dem Geschenk der friedlichen Wiedervereinigung in den nächsten 20 Jahren machen? So viel sei an dieser Stelle gewagt: Man wird am 9. November 2029 den 40. Jahrestag der Maueröffnung feiern, und es wird so ganz anders sein als der letzte "Geburtstag" der DDR - kein hohles Pathos der politischen Führung, kein offensichtlicher Verdruss der Bevölkerung. Was macht uns so sicher? Erleben wir nicht gerade eine miefig-piefige "Ostalgie", die die DDR zu dem verklärt, was sie immer sein wollte, aber nie war: ein "Arbeiter- und Bauernparadies", in dem jeder Arbeit hatte und niemand Zukunftsangst? In dem kein Konsumterror herrschte, niemand verschuldet war, aber alle solidarisch lebten von der Kinderkrippe bis ins Feierabendheim? Ja, eine gewisse Verharmlosung des SED-Staates wird es geben - allein deshalb, weil seine Schrecken immer gemessen werden an der vorangegangenen, wirklich apokalyptischen deutschen Diktatur. So wird man auch 2029 immer noch täglich auf die eine oder andere Weise mit den Nazi-Jahren konfrontiert werden, während die viel länger währende SED-Diktatur in der Erinnerung verblasst - selbst wenn es dann noch viele Zeitzeugen geben wird. Die Macher, die Gestalter, die Entscheider werden aber jene sein, die erst nach dem Mauerfall geboren worden sind. Die, die jetzt eine Ausbildung, ein Studium angefangen haben. In einem freien Europa, das von Irland bis Malta kaum noch Grenzen kennt - zumindest keine, deren Überschreiten lebensgefährlich wäre. Diese Generation wird sich aber auch Herausforderungen stellen müssen, gegen die die Aufgabe, Deutschland wieder zusammenzufügen, wie eine Fingerübung wirkt: weltweite Überbevölkerung, Klimagefährdung, religiös-politischer Fanatismus, vielleicht eine weitere globale Wirtschaftskrise, weil einer der neuen Giganten in Asien zusammenbricht. Doch man wird auch aus den Erfahrungen schöpfen, die im Labor Deutschland gemacht wurden: Wie man ökonomische und ökologische Katastrophengebiete saniert, wie man auf demographische Verschiebungen reagiert, wie man soziale Gefälle einebnet. Die Testreihen laufen längst zwischen Rügen und Plauen, zwischen Aachen und Görlitz. "Aufbau Ost", "Aufbau West" - das werden 2029 gestrige Begriffe sein, denn längst geht es um mehr oder weniger einheitliche Lebensbedingungen in ganz Europa. Strukturschwache Regionen werden sich verbünden - vielleicht Ost-Vorpommern mit dem Mezzogiorno - und dann in einem einflussreichen Europaparlament über Fraktionsgrenzen hinweg um Ausgleich ringen. In den "Leuchtturmregionen" der neuen Bundesländer hingegen wird sich die "Ostkompetenz" auszahlen in florierenden Wirtschaftsbeziehungen zu aufstrebenden Regionen wie Krakau, Prag oder auch Riga. Zudem werden immer mehr junge Menschen aus Bochum oder Pirmasens Glück und Erfolg in Dresden, Erfurt oder Rostock suchen - schon heute ist für junge Wessis ein Studium im Osten eher schick als schräg. Sie könnten Deutschland so formen, wie sich Tony Blair sein "Cool Britannia" immer erträumte: als selbstbewusste, gelassene, weltoffene, fortschrittliche Nation. Die Voraussetzungen sind bereits in den vergangenen 20 Jahren geschaffen worden: stabile demokratische Verhältnisse, eine hervorragende Infrastruktur, ein bei allen föderalistischen Macken solides Bildungssystem, freundschaftliche Beziehungen zu sämtlichen Nachbarstaaten. Ja, wir dürfen zuversichtlich sein.
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