Lausitzer Rundschau: Zum 70. Geburtstag von Joachim Gauck Die Freiheit des Ostens
Geschrieben am 22-01-2010 |
Cottbus (ots) - Die Bundeskanzlerin machte am Donnerstagabend aus einer Geburtstagsfeier eine Demonstration. Zum 70.des früheren Chefs der Stasi-Unterlagenbehörde, des Rostocker Pastors Joachim Gauck, war sie gekommen. Begleitet wurde sie von ihrem Ehemann, was in Berlin als Hinweis darauf gilt, dass es sich bei diesem Termin um eine Herzensangelegenheit handelte. Und Angela Merkel fühlte sich sichtlich wohl im Kreise der ehemaligen Bürgerrechtler wie der neuen Diktatur-Beauftragten des Landes Brandenburg, Ulrike Poppe. Die Botschaft der mächtigsten Frau des Landes war eindeutig. Die Ostdeutschen können stolz sein auf ihren besonderen Beitrag zur Geschichte des Landes. Darin werden ihr die meisten Zeitgenossen zwischen Thüringen und Vorpommern zustimmen. Aber was die Regierungschefin und Joachim Gauck dann noch sagten, klang schon eher nach einem trotzigen Anreden gegen den Verdacht, sie könnten mit ihrer besonderen Prägung immer noch, vielleicht auch inzwischen wieder eine Minderheit sein unter den eigenen Landsleuten. Denn es ist ja beileibe nicht unstrittig, dass den Deutschen mit den mutigen Demonstrationen des Herbstes 1989 ein Anknüpfen an die europäischen Freiheitstraditionen gelang. Gegen diesen Stolz auf das Erreichte kämpft ja vielfach der Missmut oder Protest gegen die Misstände in den neuen Ländern an. Und er hat mit den beachtlichen Wahlerfolgen der Linkspartei auch eine politische Spitze. Es ist zumindest auf den ersten Blick wenig denkbar an Verständigung zwischen einer Bundeskanzlerin und denen, die einst mit ihr die Schule besuchten, heute aber Gregor Gysi wählen. Angela Merkel hat bei der Ehrung für Joachim Gauck allerdings auch etwas gesagt, was nicht nur eigene Nachdenklichkeit bekundet, sondern auch andere nachdenklich stimmen könnte. Nie seine eigenen Grenzen entdecken zu dürfen, das sei so beklagenswert an der SED-Herrschaft gewesen. Und dies habe dann dazu geführt, dass man sich zuweilen für besser hielt, als man tatsächlich war. So einen Satz hört man selten von einer Spitzenpolitikerin. Und doch passt er ganz gut zur einzigartigen Karriere dieser Frau. Denn der Wunsch, endlich zu erleben, wo tatsächlich die eigenen Grenzen liegen, gehört zu den verständlichen Besonderheiten einer ostdeutschen Biografie. Wenn sich dazu noch die selbstkritische Fähigkeit gesellt, eigene Schwächen nicht zu unterschätzen, dann wird daraus nicht nur im Falle von Frau Merkel eine Erfolgsgeschichte. Vielleicht könnte man sich wenigstens darauf einigen im Osten, dass die vor 20 Jahren gewonnene Freiheit endlich auch Grenzerfahrungen ermöglicht - selbstverständlich auch in der Kritik an den herrschenden Zuständen.
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