Berliner Morgenpost: Die SPD hat mit sich selbst genug zu tun - Leitartikel
Geschrieben am 24-01-2010 |
Berlin (ots) - Es war abzusehen: Kaum hat Oskar Lafontaine seinen Rückzug als Parteichef der Linken - nach wochenlangen Spekulationen - öffentlich bekannt gegeben, beginnt die Diskussion über eine rot-rote oder rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene. Just am gestrigen Sonntag veröffentlichte eine Gruppe von jungen Politikern der SPD, Grünen und Linken ein Papier für ein solches Bündnis. Motto: "Das Leben ist bunter!" Zufall ist das nicht. Andere führende SPD-Politiker, froh darüber, dass Lafontaine endlich weg ist, forderten die Linke sogleich auf, sich jetzt für einen pragmatischen Kurs zu entscheiden. Und die Grünen-Chefin Claudia Roth rät SPD und Linker fröhlich, ihr Verhältnis zu klären. Doch - gemach, gemach! - hier machen viele den zweiten Schritt vor dem ersten. Die SPD muss nämlich erst einmal mit sich selbst ins Reine kommen. Sie hat die Bundestagswahl im vergangenen Jahr verloren und ist auf 23 Prozent abgestürzt. Danach hat sich die Partei zwar ein neues Führungspersonal gegeben, inhaltlich ist sie aber noch keinen Schritt weitergekommen. Das merken übrigens auch die Wähler, von denen gerade mal 20 bis 22 Prozent für die SPD stimmen würden, wenn am nächsten Sonntag wieder Bundestagswahl wäre. Es reicht eben nicht, jetzt, als Oppositionspartei, Hartz IV zu kritisieren oder wie die Linke "Raus aus Afghanistan" zu fordern. Wie schwierig die Sache ist, demonstrieren auch die Berliner Sozialdemokraten, die auf ihrer gestern zu Ende gegangenen Klausurtagung ein Thesenpapier beschlossen haben, mit dem sie 2011 die Abgeordnetenhauswahl gewinnen wollen. Aber allein eine Aussage wie: Berlin solle als "Modellstadt für das nachhaltige Zeitalter" weiterentwickelt werden, wird die Menschen eher abschrecken, als sie für die SPD zu begeistern. Und auch die Vorhaben lassen einen ratlos zurück, wenn man sich klarmacht, dass die SPD seit 21 Jahren ununterbrochen in Berlin an der Regierung ist. Nun also will sich die SPD verstärkt um Integration kümmern, und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der vor wenigen Jahren noch abfällig über Industriepolitik für Berlin sprach, sagt jetzt: "Wir brauchen eine Industrialisierung der Stadt." Nachdem er vor drei Jahren den demografischen Wandel in Berlin zur Chefsache machte, dann den Klimaschutz und kürzlich die S-Bahn, erklärt er jetzt die Integration zu seiner Sache. Auch die Berliner SPD - in den Umfragen ebenso abgesackt wie die Bundespartei - scheint inhaltlich keine klare Linie zu haben, sondern mal dies, mal das auszuprobieren. Bevor jetzt also über Rot-Rot im Bund fantasiert wird, sollte die SPD erst einmal an ihrem Profil arbeiten. Die Wähler wollen ernsthafte Antworten, nicht populistische Versprechen, wie sie bei den Linken üblich sind. Erinnert sei nur an Gregor Gysis Wahlkampfspruch "Reichtum für alle". Drängende Themen gibt es genug - vom Umgang mit Hartz-IV-Empfängern, der Reform der Schulen bis hin zur Terrorbekämpfung. Wenn die Positionen klar sind, dann lohnt auch eine Debatte über Koalitionen.
Originaltext: Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt: Berliner Morgenpost Chef vom Dienst Telefon: 030/2591-73650 bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
248058
weitere Artikel:
- Westfalenpost: Spar-Ankündigung Der Minister und die Kassen Hagen (ots) - Philipp Rösler muss sich früher als ihm lieb ist - er ist noch keine 100 Tage im Amt - mit den Finanzproblemen der Kassen befassen. Natürlich sind Gesundheitsfonds und Zusatzbeiträge ein Konstrukt der schwarz-roten Vorgängerregierung, und die hatte keineswegs geplant, jedes neue Finanzloch bei den Kassen gleich wieder mit einem Bundeszuschuss zu stopfen. Die unpopulären Zusatzbeiträge haben mithin vor allem Ulla Schmidt und Angela Merkel zu verantworten. Allerdings hat der junge Minister bislang keinerlei Anstalten gemacht, mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Rückzug von Oskar Lafontaine Bielefeld (ots) - Nichts hat Oskar Lafontaine in seiner politischen Karriere dem Zufall überlassen. Deshalb muss man ihm glauben, dass ausschließlich gesundheitliche Gründe für den Rückzug aus der Bundespolitik verantwortlich sind. Zu gern hätte der Napoleon von der Saar seinen Traum verwirklicht, als Linken-Chef die SPD weiter vor sich herzutreiben, um sie dann sie als großer Vorsitzender zu einer politischen Kraft zu vereinen. Minuten nachdem Lafontaine am Samstag seinen Rückzug von der bundespolitischen Bühne bekanntgab, meldeten sich mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Hartz IV/Kindergeld-Rückforderungen Bielefeld (ots) - Das ist die deutsche Gründlichkeit, über die sich das Ausland kaputtlacht. Wegen läppischer 20 Euro setzt die Bundesagentur für Arbeit (BA) ihren bürokratischen Apparat in Gang und fordert von ungezählten Hartz-IV-Empfängern Kindergeld zurück. Dies nur, weil es sich die Bundesregierung anders überlegt hat, keine Übergangsfrist mehr akzeptiert und nicht möchte, dass Hartz-IV-Empfänger von der Kindergelderhöhung zum 1. Januar profitieren. Und so sollen denen die 20 Euro wieder weggenommen werden, deren Bescheid noch im mehr...
- Rheinische Post: Chance für Rot-Rot-Grün von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Der krankheitsbedingte Rückzug Oskar Lafontaines ist eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Er hat wie kaum ein anderer in den vergangenen 30 Jahren die politische Landschaft immer wieder aufgemischt als Saarbrücker Oberbürgermeister, als sozialdemokratischer Kanzlerkandidat, als SPD-Chef und schließlich als Vorsitzender der Linkspartei. Mit ihm geht ein hochbegabter Vollblutpolitiker, aber auch ein Populist. Zugleich macht er mit seinem Abtritt den Weg für ein linkes Bündnis zwischen SPD, Grünen und Linken mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Rückzug von Lafontaine Osnabrück (ots) - Chance für die SPD Der Rückzug von Oskar Lafontaine ist eine Riesenchance für die SPD - vorausgesetzt, sie verfällt nicht in abwegige Koalitionsdebatten. Denn ohne den früheren saarländischen Ministerpräsidenten wäre die Linkspartei im Westen niemals so stark geworden. Diese bundesweite Zersplitterung im linken Lager könnte nun zugunsten der SPD entscheidend gemildert werden. Lafontaine fällt obendrein in einer Phase aus, in der die SPD im Bund keine Kabinettsdisziplin mehr üben und deswegen für sie heikle Kompromisse mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|