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Berliner Morgenpost: Krokodilstränen der Solarwirtschaft - Leitartikel

Geschrieben am 04-02-2010

Berlin (ots) - Im Mittelalter hätte eine totale Sonnenfinsternis
unter den Anbetern des Sonnengottes keine größere Unruhe auslösen
können: Tausende Mitarbeiter von Solarfirmen protestierten gestern in
Berlin gegen die geplante Kürzung der Einspeisevergütung für
Sonnenstrom. Ihre Wortwahl fiel drastisch aus: Der von
Bundesumweltminister Röttgen geplante "Kahlschlag" in der
Solarförderung bedrohe Zehntausende Arbeitsplätze, gefährde die
Spitzenposition Deutschlands beim Klimaschutz und beraube die
Zukunftsbranche ihrer Technologieführerschaft. Harte Vorwürfe.
Berechtigt sind sie nicht.
Denn auch nach einer Subventionskürzung um 15 Prozent, wie sie
Röttgen vorschwebt, wirft der Kauf einer Fotovoltaik-Anlage noch weit
mehr als sechs Prozent Rendite ab. Das ist doppelt so hoch wie die
durchschnittliche Rendite von Bundesanleihen. Der Kaufanreiz bleibt
also erhalten, die Nachfrage nach Solarmodulen wird weiter wachsen.
Die von den weltweit höchsten Subventionen verwöhnte deutsche
Solarbranche weint Krokodilstränen.
Wenn deutsche Solarfirmen auch in Berlin in Bedrängnis kommen, hat
das nichts mit Subventionskürzung zu tun. Vielmehr haben sie den
billiger produzierenden Konkurrenten aus Asien einfach nichts mehr
entgegenzusetzen. Deutsche Technologieführerschaft? Das war einmal.
Nach dem neuesten Modulvergleich des unabhängigen Testlabors Photon
kamen im Dezember sieben der zehn ertragreichsten Solarmodule von
asiatischen Herstellern, allein vier davon aus China. Demgegenüber
fand sich nur ein einziges deutsches Unternehmen unter den ersten
zehn. Kein Wunder also, dass längst mehr als die Hälfte aller
Solarmodule auf deutschen Dächern und Äckern von ausländischen
Herstellern stammen. Es ist allerdings nicht einzusehen, warum der
deutsche Verbraucher über seine Stromrechnung zweistellige
Milliardensummen für eine Einspeisevergütung zahlen soll, wenn diese
vor allem chinesischen Herstellern zugutekommt.
Denn selten wurden Subventionen auf so uneffiziente Art gewährt.
Allein die Solarmodule, die im vergangenen Jahr auf deutsche Dächer
geschraubt wurden, verursachen wegen der über 20 Jahre gesetzlich
fixierten Vergütung für den Verbraucher Folgekosten von zehn
Milliarden Euro. Dabei tragen sie kaum messbar zur Stromversorgung
bei. Und Jahr für Jahr türmen sich weitere "Solarschulden" in
ähnlicher Höhe auf, die vom Verbraucher abzustottern sind.
Weil der jährliche Zubau an Solarmodulen um einige Hundert
Prozentpunkte höher ist als die jetzt geplante Senkung der
Einspeisevergütung, wird die Belastung der Haushalte ohnehin weiter
steigen - eben nur leicht abgebremst. Konsequent wäre es also, wenn
Röttgen die Solarsubventionen nicht nur kürzt, sondern auch die
Gesamtzahl der zu fördernden Anlagen deckelt. Sonst steigt die
Belastung der Verbraucher weiter ins Uferlose. Dass die
ertragsschwächste Stromerzeugungstechnik zulasten aller anderen mit
der höchsten Subvention bedacht wird, ist ein Misstand, den Röttgen
abstellen muss.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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