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Börsen-Zeitung: Suche nach Momentum, Kommentar von Bernd Weber zur Vorlage der Jahreszahlen von Daimler

Geschrieben am 18-02-2010

Frankfurt (ots) - Daimler-Chef Dieter Zetsche wirkte bei der
Vorlage der Jahreszahlen 2009 ziemlich gelassen und relativ entspannt
- und das obwohl er einen Konzernverlust von 2,6 Mrd. Euro für das
abgelaufene Geschäftsjahr verkünden musste. Dies muss etwas mit den
Personalentscheidungen der vergangenen Wochen zu tun haben, so viel
scheint sicher.

Es muss Zetsche wie eine Genugtuung vorkommen, dass sein Vertrag
als Vorstandschef und Verantwortlicher für die Pkw-Sparte gerade um
drei Jahre verlängert wurde. Noch im Herbst wurde kräftig an seinem
Stuhl gesägt. Dies ging so weit, dass der Name Wendelin Wiedeking als
potenzieller Nachfolger bereits die Runde machte. Nun sitzt Zetsche
also wieder fest im Sattel und hat ab sofort mit Wolfgang Bernhard im
Vorstand einen Mann an seiner Seite, mit dem er schon einmal bei
Chrysler in derselben Konstellation gut harmonierte, er als Boss,
Bernhard als Vize.

Auch mehrere seiner Aussagen verdeutlichen die positive
Stimmungslage des Konzernlenkers. Nach der kontrollierten Defensive
2009 spiele Daimler ab 2010 wieder auf Angriff. Die Weichen dafür
seien gestellt. Die Führungsmannschaft stehe, lässt er die
Journalisten wissen, die auf der Jahres-PK zugegen sind.

Einmal abgesehen davon, ob sich ein Umsatzrückgang um ein Fünftel
und ein Verlust von 2,6 Mrd. Euro wirklich als "kontrollierte
Defensive" bezeichnen lassen dürfen. Die Abteilung Attacke muss sich
erst noch beweisen. Zumindest die Angriffsziele hat Zetsche schon
einmal formuliert, und zwar so dezidiert wie selten zuvor zu einem so
frühen Zeitpunkt im Jahr.

Für jeden Geschäftsbereich verkündet wurde eine Vorhersage für das
Ergebnis vor Zinsen und Steuern, das sich 2010 auf Konzernebene zu
einem Ebit von mehr als 2,3 Mrd. Euro summieren soll. Gegenüber dem
negativen Ebit 2009 von 1,5 Mrd. Euro eine deutliche Ergebniswende.

Dazu, wie Daimler zum Ergebnisziel kommen soll, bleibt Zetsche
aber vage. Halbwegs greifbare Aussagen zu Absatz und Umsatz lässt er
sich nicht entlocken. Zetsche spricht vom Momentum, das im
Jahresverlauf 2009 eindeutig zugenommen habe, und vom hohen
Drehmoment, mit dem Daimler aus der Krise komme, was angesichts des
positiven operativen Trends nicht von der Hand zu weisen ist. Im
Konzern verbesserten sich die operativen Ergebnisse im abgelaufenen
Jahr von Quartal zu Quartal, ab dem dritten Vierteljahr lagen sie
wieder oberhalb der Nulllinie.

Ob das Drehmoment aber hoch genug ist, um die aufgestellten Ziele
zu erreichen, lässt sich mit Blick auf die weiterhin existierenden
Unsicherheiten und möglicherweise neu aufflammenden Risiken in der
Industrie und in deren Umfeld nicht sagen. Sicher, Kostensenkungen
und Effizienzsteigerungen brachten 5,3 Mrd. Euro, womit die
ursprünglich anvisierte Marke von 4 Mrd. Euro klar übertroffen und
die Kostenbasis deutlich verringert wurde. Und wird das bereinigte
Ebit des vierten Quartals von 600 Mill. Euro für eine Hochrechnung
herangezogen, liegt das Ziel 2010 von 2,3 Mrd. Euro jedenfalls
eindeutig in Reichweite.

Auf Basis dieser Rechnung bräuchte es jedenfalls keine Fantasie,
um die aufgesetzten Ziele zu erreichen. Auch hatten die Analysten
bislang teils deutlich höhere Erwartungen an den operativen Gewinn
des laufenden Jahres. 3 Mrd. Euro waren da keine Ausnahme. Dies
könnte neben dem als Ausnahme deklarierten Dividendenausfall ein
zweiter Grund sein, warum die Daimler-Aktie nach der Bekanntgabe der
Zahlen abgestraft wurde.

Ist Zetsches Vorgabe nur konservativ, oder erkennt er trotz
quantifizierter Jahresziele noch Risiken, die es zu meistern gilt,
bevor aus der Prognose Realität wird? Zwar sollen in diesem und dem
nächsten Jahr insgesamt 16 neue Modelle in den Verkaufsräumen stehen,
meist sind dies aber Derivate mit eher geringeren Stückzahlen. Im
Kompaktwagensegment sind erste Nachfolgemodelle der A- und B-Klasse
für Ende 2011 angekündigt. Die Butter auf dem Brot muss in diesem
Jahr eindeutig die E-Klasse liefern. Sie verkauft sich gut, bekommt
aber in wenigen Wochen mit dem neuen 5er-BMW ernsthafte Konkurrenz.

Auch eine Antwort auf die deutlich fallenden Verkäufe der
Ein-Modell-Marke Smart steht aus. Die Auffächerung auf immer mehr
Derivate zieht den auf Lifestyle bedachten jungen urbanen Käufer
offenbar nicht mehr sonderlich stark an. Zwar scheint die Kooperation
mit Renault im Kleinwagensegment so gut wie beschlossene Sache, auch
wenn Zetsche selbst da gebetsmühlenartig betont, das Ob, Wie und mit
Wem sei nicht geklärt. Aber bis aus einer Partnerschaft ein neues
Modell wie beispielsweise ein Viersitzer oder ein Mini-SUV wird,
dessen Absatz dann auch Deckungsbeiträge liefert, wird es sicher 2011
werden.

Dass sich die Daimler-Spitze entgegen den allgemeinen Erwartungen
entschieden hat, keine Dividende zu zahlen, ist zu begrüßen, auch
wenn die Investoren enttäuscht reagierten. Cash bleibt ein hohes Gut
in den aktuell unsicheren Zeiten für die Autoindustrie.

(Börsen-Zeitung, 19.2.2010)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
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